Glasfaser-Branche: Gigabit-Ziel 2030 könnte gefährdet sein
Ziel der Bundesregierung ist es, bis 2030 alle Haushalte in Deutschland mit einer Glasfaserleitung „bis ins Haus“ zu versorgen, man spricht von FTTB oder FTTH. Hochrangige Branchenvertretern sehen das Ziel in "akuter" Gefahr. Das berichtet die Wirtschaftszeitung "Handelsblatt" unter Berufung auf Gespräche mit Unternehmenschefs, Beratern und Banken.
Probleme häufen sich
Glasfaser Ausbau ist nicht trivial. Viele Unternehmen sind überfordert.
Foto: Deutsche Telekom
Demnach häufen sich bei vielen Glasfaserfirmen die Probleme, weil der Ausbau nicht wie geplant vorankommt und die Kosten im Zuge von Zinswende und Inflation immer weiter steigen. Viele Firmen sind mit der Koordination von Sub-Unternehmern und Spezialfirmen überfordert, Hausbesitzer achten genau, was da an ihrem Haus gebohrt und verlegt wird, jeder Anschluss ist anders und erfordert viel Feinarbeit. Das Baupersonal spricht oder versteht nicht immer deutsch und Kunden haben keine Ansprechpartner oder verbindliche Terminzusagen ihres Vertragspartners, wann wo was gebaut oder verlegt wird oder wann jemand vorbeikommt.
Längere Wartefristen
Also müssen viele Kunden offenbar länger auf ihren Anschluss warten, als zunächst gedacht. Einer neuen Studie der Unternehmensberatung Boston Consulting Group und der Personalberatung Egon Zehnder zufolge sind die Investorenbewertungen von Glasfaserunternehmen deshalb um bis zu 30 Prozent eingebrochen.
Gerade kleineren Unternehmen drohe zudem die Pleite. Die Auswertung liegt dem Handelsblatt vor. Ausländische Geldgeber, wie die britische Infrared, erwägen laut dem Bericht bereits, den deutschen Markt wieder zu verlassen. Probleme gibt es demnach auch bei den Joint Ventures OXG und GlasfaserPlus, an denen Vodafone beziehungsweise die Deutsche Telekom beteiligt sind.
Der neue OXG Chef habe kurz nach Amtsantritt das Unternehmen wieder verlassen, jetzt versuche der Sohn David des Anteilseigners Patrick Drahi (Altice/SFR) die Situation zu retten.
Offizielles Dementi
Offiziell bestreiten die betroffenen Unternehmen die Probleme. Das für den Glasfaserausbau zuständige Bundesverkehrsministerium gab sich auf Anfrage trotz der Schwierigkeiten optimistisch. Die „Ziele der Gigabitstrategie halten wir weiterhin für realistisch“, teilte ein Sprecher mit. Die zuständigen Branchenverbände Anga, Breko und VATM teilten auf Anfrage mit, dass das Ausbauziel für 2030 zwar „sehr ambitioniert, aber theoretisch machbar“ sei. Die Unternehmen arbeiteten „mit Hochdruck“ darauf hin.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
So langsam wird klar, warum die Branche so nervös reagiert und vehement fordert, die Telekom am liebsten am Bauen zu hindern. Das wird so aber nicht funktionieren. Manche Kalkulation von ewig währenden Exklusiv-Renditen (wenn nur ein Anbieter vor Ort bauen kann und darf) sind das Papier nicht wert. Es wird nur eines helfen: Zusammenarbeit. Bildung von weiteren Joint-Ventures, die dann ganze zusammenhängende Gebiete komplett bis in den letzten Winkel ausbauen.
Die Beispiele wie Glasfaser-Nordwest zeigen, wie man so etwas erfolgreich hinbekommt. Warum gibt es keine Glasfaser-Ost, Glasfaser-West, Glasfaser-Süd oder Glasfaser-Südwest?
Knirschender Kundenservice
Alle Beteiligten müssen ihr Hausaufgaben machen und ihren Kundenservice zum Laufen bringen, bevor frustrierte Kunden über Social Media generell vom Glasfaseranschluss abraten. Auch Dolmetscher, welche die Sprache der Bauarbeiter vor Ort sprechen und für Kunden und Kommunen ansprechbar sind, wären eine sinnvolle Investition.
Der Streit über den sogenannten "Überbau" setzt sich fort.