Breitbandausbau

Wie "Cherry Picking" den Glasfaserausbau gefährdet

Wett­bewerber werfen der Deut­schen Telekom schon seit geraumer Zeit vor, ledig­lich lukra­tive Gebiete mit Glas­faser auszu­bauen und schwer erschließ­bare Rand­lagen außen vorzu­lassen. Dieses Cherry-Picking führe dazu, dass sich die Wett­bewerber zurück­ziehen, so der Vorwurf. Auch für die betrof­fenen Bürger hat das Konse­quenzen, wie ein aktu­elles Beispiel zeigt.
Von Marc Hankmann

Moos­burg an der Isar ist eine Stadt voller Geschichte, immerhin ist sie die älteste Stadt im ober­baye­rischen Land­kreis Frei­sing. Nun kommt eine weitere Geschichte hinzu – eine mit bitterem Beigeschmack. Dabei klang anfangs alles so verhei­ßungs­voll: Die Deut­sche GigaNetz hatte mit der Kommune einen flächen­deckenden Glas­faser­ausbau verein­bart und ging in die Vorver­mark­tung. Inzwi­schen ist aber auch die Deut­sche Telekom in Moos­burg aktiv. Sie baut die Kern­stadt mit Glas­faser aus. Die GigaNetz will nicht Glas­faser mit Glas­faser über­bauen und zieht sich deshalb aus Moos­burg komplett zurück. „Es braucht zur eigen­wirt­schaft­lichen Finan­zie­rung von aufwendig zu erschlie­ßenden Gebieten natür­lich auch den Ausbau von renta­blen Stadt­berei­chen – wie hier die Kern­stadt von Moos­burg“, erklärt Soeren Wendler, Geschäfts­führer der Deut­schen GigaNetz. Für sein Unter­nehmen rechnet sich der Ausbau ohne die Kern­stadt nicht mehr. In Moosburg an der Isar zieht sich die Deutsche GigaNetz vom flächendeckenden Glasfaserausbau zurück, weil die Deutsche Telekom die Kernstadt ausbaut. Die erhält jetzt zwar Glasfaser, aber die Ortsteile von Moosburg gehen leer aus. In Moosburg an der Isar zieht sich die Deutsche GigaNetz vom flächendeckenden Glasfaserausbau zurück, weil die Deutsche Telekom die Kernstadt ausbaut. Die erhält jetzt zwar Glasfaser, aber die Ortsteile von Moosburg gehen leer aus.
Foto: Landratsamt Freising/Dietmar Denger
Das Problem: Die Telekom konzen­triert sich nur auf die Kern­stadt. „Der Ausbau der Orts­teile ist seitens der Telekom derzeit nicht geplant“, ist auf der Webseite der Kommune zu lesen. „Ein Teil­ausbau durch Konzen­tra­tion auf lukra­tive Kern­gebiete – das soge­nannte ‚Cherry Picking‘ – und die einher­gehende Vernach­läs­sigung der Rand­bezirke, die jedoch genauso zu einer Kommune zählen, sind kontra­pro­duktiv auf dem Weg zu einer flächen­deckenden Glas­faser­infra­struktur, die Deutsch­land drin­gender denn je benö­tigt“, kriti­siert Wendler die Vorge­hens­weise der Telekom. Sein Kollege Anton Hoefter, Regio­nal­leiter Süd bei der Deut­schen GigaNetz, spricht daher auch von einer Zwei­klas­sen­gesell­schaft, die in Moos­burg entstehe. Ob es ein anderes Unter­nehmen als lukrativ erachtet, neben der Telekom den Ort zu erschließen, sei einmal dahin­gestellt. In letzter Konse­quenz könnten die Orts­teile even­tuell nur noch mithilfe von Förder­gel­dern ausge­baut werden. Dann muss der Steu­erzahler herhalten.

Andern­orts geht es für die Deut­sche GigaNetz dagegen voran. In Weil­münster, Wein­bach, Soest, Öhringen und Kron­berg erfolgte der Spaten­stich für den Netzbau. Insge­samt entstehen für 27.400 Adress­punkte mit 57.300 Haus­halten Glas­faser­anschlüsse. In Nauheim begann die Deut­sche GigaNetz unlängst mit den Ausbau­pla­nungen und mit der Stadt Duis­burg hat das Unter­nehmen eine Koope­rati­ons­ver­ein­barung für den Glas­faser­ausbau im Stadt­teil Hoch­heide unter­schrieben. Bleibt zu hoffen, dass es für die Einwohner besser läuft als in Moos­burg.

Zusagen für Glas­faser­anschlüsse in Rhein­land-Pfalz

Koope­rieren wollen auch das Land Rhein­land-Pfalz mit den Netz­betrei­bern 1&1 Versatel und Deut­sche Glas­faser. Beide gehören zu den Unter­zeich­nern der Gigabit-Charta des Bundes­lands. In der Absichts­erklä­rung für den Gigabit-Ausbau in Rhein­land-Pfalz wurde verein­bart, das Land flächen­deckend mit allen Haus­halten, Unter­nehmen, Schulen und sons­tigen öffent­lichen Insti­tutionen vorrangig durch den eigen­wirt­schaft­lichen Ausbau privater Unter­nehmen möglichst bis 2030 mit Glas­faser­lei­tungen zu erschließen. Beide Netz­betreiber gehören dem Netz­bündnis in Rhein­land-Pfalz an, das bereits seit 2017 besteht.

Seitdem hat laut Markt­ana­lyse des Bundes­ver­bands Breit­band­kom­muni­kation (BREKO) von den 1,93 Millionen Haus­halten rund ein Drittel die Möglich­keit, an ein Glas­faser­netz ange­schlossen zu werden. „Wir sehen das Poten­zial, 700.000 Haus­halte in Rhein­land-Pfalz an das Glas­faser­netz anzu­binden", sagte Andreas Pfis­terer, CEO der Deut­sche Glas­faser bei der Unter­zeich­nung der Gigabit-Charta. Mit der Charta soll zudem der Glas­faser­ausbau beschleu­nigt werden. "Die Verein­fachung von Antrags- und Geneh­migungs­ver­fahren sowie die Erleich­terung des Zugriffs auf Grund­buch- und Katas­ter­daten für ausbau­ende Unter­nehmen sind der rich­tige Ansatz, um weitere Beschleu­nigungs­poten­ziale zu heben“, erklärte Sören Trebst, CEO von 1&1 Versatel. Der rheinland-pfälzische Digitalisierungsminister Alexander Schweitzer (l.) und Ministerpräsidentin Malu Dreyer freuen sich über die Unterschrift von Deutsche-Glasfaser-CEO Andreas Pfisterer unter die Gigabit-Charta Der rheinland-pfälzische Digitalisierungsminister Alexander Schweitzer (l.) und Ministerpräsidentin Malu Dreyer freuen sich über die Unterschrift von Deutsche-Glasfaser-CEO Andreas Pfisterer unter die Gigabit-Charta
Foto: Deutsche Glasfaser
Auch Voda­fone ist Teil des Netz­bünd­nisses. Über das Joint Venture OXG will der Düssel­dorfer TK-Konzern 335.000 Glas­faser­anschlüsse in Rhein­land-Pfalz bauen. Davon sollen 48.000 in Mainz entstehen. Die Vermark­tung startet im kommenden Jahr. Dabei dürfte Voda­fone auf die Deut­sche Telekom treffen, die ihrer­seits 40,000 Glas­faser­anschlüsse in der Landes­haupt­stadt bauen möchte.

Weitere Groß­pro­jekte kündigten die Bonner in Hof (20.000 Haus­halte), Saal­feld (13.600 Haus­halte) und Vater­stetten (13.000 Haus­halte) an. Während in Vater­stetten bereits die Bagger anrollen, müssen die Einwohner von Saal­feld und Hof bis 2025 warten, bevor die Telekom mit dem Netzbau beginnt.

West­con­nect beginnt Vermark­tung für Glas­faser­netze

Auch West­con­nect kündigte in den vergan­genen Wochen weitere Ausbau­pro­jekte an. In Meppen-Nord, Schön­dorf, Bone­rath und Morbach-Gonze­rath sowie in Greven­broich, Bad Oeyn­hausen, Warstein und Dort­mund geht der Netz­betreiber in die Vermark­tung. Insge­samt können sich in den Städten über 23.500 Haus­halte für einen Glas­faser­anschluss entscheiden. Etwas weiter nörd­lich, in Sehnde bei Hannover, ist der Netz­betreiber htp schon etwas weiter. In der Kommune hat htp 4850 Haus­halte ans Glas­faser­netz ange­schlossen. „Wir dimen­sio­nieren unsere Netze so, dass wir auch später Gebäude anschließen können“, erklärt htp-Geschäfts­führer Thomas Heit­mann. So ist das Netz in Sehnde für insge­samt 11.800 Haus­halte ausge­legt. Westconnect will in weiteren Städten, darunter Dortmund, Meppen und Warstein Glasfasernetze bauen und hat deswegen dort mit der Vermarktung begonnen Westconnect will in weiteren Städten, darunter Dortmund, Meppen und Warstein Glasfasernetze bauen und hat deswegen dort mit der Vermarktung begonnen
Foto: Westconnect
Etliche weitere Ankün­digungen machte derweil das Joint Venture von Telekom und IFM Inves­tors, die GlasfaserPlus. In den vergan­genen Wochen kündigte das Unter­nehmen für 28 Kommunen den Bau eines FTTH-Netzes ab dem kommenden Jahr an. In Rothen­burg ist GlasfaserPlus bereits tätig. Im zweiten Bauab­schnitt soll ab 2024 die Altstadt erschlossen werden. Ende dieses Jahres sollen hingegen bereits die Bagger in Niederau anrollen. Dort will GlasfaserPlus 1440 Haus­halte anschließen. Und in Tirschen­reuth feierte das Unter­nehmen unlängst den Spaten­stich. Hier sollen 4700 Glas­faser­anschlüsse entstehen.

Auch wenn die goldenen Jahre für Anbieter wie Netflix oder Disney+ vorbei sein mögen, wird immer mehr gestreamt. Doch dieser Boom hat eine Kehr­seite, die eben­falls floriert: Seit 2022 wächst erst­mals wieder die TV-Pira­terie – dank Strea­ming.

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