Wie "Cherry Picking" den Glasfaserausbau gefährdet
Moosburg an der Isar ist eine Stadt voller Geschichte, immerhin ist sie die älteste Stadt im oberbayerischen Landkreis Freising. Nun kommt eine weitere Geschichte hinzu – eine mit bitterem Beigeschmack. Dabei klang anfangs alles so verheißungsvoll: Die Deutsche GigaNetz hatte mit der Kommune einen flächendeckenden Glasfaserausbau vereinbart und ging in die Vorvermarktung. Inzwischen ist aber auch die Deutsche Telekom in Moosburg aktiv. Sie baut die Kernstadt mit Glasfaser aus. Die GigaNetz will nicht Glasfaser mit Glasfaser überbauen und zieht sich deshalb aus Moosburg komplett zurück. „Es braucht zur eigenwirtschaftlichen Finanzierung von aufwendig zu erschließenden Gebieten natürlich auch den Ausbau von rentablen Stadtbereichen – wie hier die Kernstadt von Moosburg“, erklärt Soeren Wendler, Geschäftsführer der Deutschen GigaNetz. Für sein Unternehmen rechnet sich der Ausbau ohne die Kernstadt nicht mehr.
In Moosburg an der Isar zieht sich die Deutsche GigaNetz vom flächendeckenden Glasfaserausbau zurück, weil die Deutsche Telekom die Kernstadt ausbaut. Die erhält jetzt zwar Glasfaser, aber die Ortsteile von Moosburg gehen leer aus.
Foto: Landratsamt Freising/Dietmar Denger
Das Problem: Die Telekom konzentriert sich nur auf die Kernstadt. „Der Ausbau der Ortsteile ist seitens der Telekom derzeit nicht geplant“, ist auf der Webseite der Kommune zu lesen. „Ein Teilausbau durch Konzentration auf lukrative Kerngebiete – das sogenannte ‚Cherry Picking‘ – und die einhergehende Vernachlässigung der Randbezirke, die jedoch genauso zu einer Kommune zählen, sind kontraproduktiv auf dem Weg zu einer flächendeckenden Glasfaserinfrastruktur, die Deutschland dringender denn je benötigt“, kritisiert Wendler die Vorgehensweise der Telekom. Sein Kollege Anton Hoefter, Regionalleiter Süd bei der Deutschen GigaNetz, spricht daher auch von einer Zweiklassengesellschaft, die in Moosburg entstehe. Ob es ein anderes Unternehmen als lukrativ erachtet, neben der Telekom den Ort zu erschließen, sei einmal dahingestellt. In letzter Konsequenz könnten die Ortsteile eventuell nur noch mithilfe von Fördergeldern ausgebaut werden. Dann muss der Steuerzahler herhalten.
Andernorts geht es für die Deutsche GigaNetz dagegen voran. In Weilmünster, Weinbach, Soest, Öhringen und Kronberg erfolgte der Spatenstich für den Netzbau. Insgesamt entstehen für 27.400 Adresspunkte mit 57.300 Haushalten Glasfaseranschlüsse. In Nauheim begann die Deutsche GigaNetz unlängst mit den Ausbauplanungen und mit der Stadt Duisburg hat das Unternehmen eine Kooperationsvereinbarung für den Glasfaserausbau im Stadtteil Hochheide unterschrieben. Bleibt zu hoffen, dass es für die Einwohner besser läuft als in Moosburg.
Zusagen für Glasfaseranschlüsse in Rheinland-Pfalz
Kooperieren wollen auch das Land Rheinland-Pfalz mit den Netzbetreibern 1&1 Versatel und Deutsche Glasfaser. Beide gehören zu den Unterzeichnern der Gigabit-Charta des Bundeslands. In der Absichtserklärung für den Gigabit-Ausbau in Rheinland-Pfalz wurde vereinbart, das Land flächendeckend mit allen Haushalten, Unternehmen, Schulen und sonstigen öffentlichen Institutionen vorrangig durch den eigenwirtschaftlichen Ausbau privater Unternehmen möglichst bis 2030 mit Glasfaserleitungen zu erschließen. Beide Netzbetreiber gehören dem Netzbündnis in Rheinland-Pfalz an, das bereits seit 2017 besteht.
Seitdem hat laut Marktanalyse des Bundesverbands Breitbandkommunikation (BREKO) von den 1,93 Millionen Haushalten rund ein Drittel die Möglichkeit, an ein Glasfasernetz angeschlossen zu werden. „Wir sehen das Potenzial, 700.000 Haushalte in Rheinland-Pfalz an das Glasfasernetz anzubinden", sagte Andreas Pfisterer, CEO der Deutsche Glasfaser bei der Unterzeichnung der Gigabit-Charta. Mit der Charta soll zudem der Glasfaserausbau beschleunigt werden. "Die Vereinfachung von Antrags- und Genehmigungsverfahren sowie die Erleichterung des Zugriffs auf Grundbuch- und Katasterdaten für ausbauende Unternehmen sind der richtige Ansatz, um weitere Beschleunigungspotenziale zu heben“, erklärte Sören Trebst, CEO von 1&1 Versatel.
Der rheinland-pfälzische Digitalisierungsminister Alexander Schweitzer (l.) und Ministerpräsidentin Malu Dreyer freuen sich über die Unterschrift von Deutsche-Glasfaser-CEO Andreas Pfisterer unter die Gigabit-Charta
Foto: Deutsche Glasfaser
Auch Vodafone ist Teil des Netzbündnisses. Über das Joint Venture OXG will der Düsseldorfer TK-Konzern 335.000 Glasfaseranschlüsse in Rheinland-Pfalz bauen. Davon sollen 48.000 in Mainz entstehen. Die Vermarktung startet im kommenden Jahr. Dabei dürfte Vodafone auf die Deutsche Telekom treffen, die ihrerseits 40,000 Glasfaseranschlüsse in der Landeshauptstadt bauen möchte.
Weitere Großprojekte kündigten die Bonner in Hof (20.000 Haushalte), Saalfeld (13.600 Haushalte) und Vaterstetten (13.000 Haushalte) an. Während in Vaterstetten bereits die Bagger anrollen, müssen die Einwohner von Saalfeld und Hof bis 2025 warten, bevor die Telekom mit dem Netzbau beginnt.
Westconnect beginnt Vermarktung für Glasfasernetze
Auch Westconnect kündigte in den vergangenen Wochen weitere Ausbauprojekte an. In Meppen-Nord, Schöndorf, Bonerath und Morbach-Gonzerath sowie in Grevenbroich, Bad Oeynhausen, Warstein und Dortmund geht der Netzbetreiber in die Vermarktung. Insgesamt können sich in den Städten über 23.500 Haushalte für einen Glasfaseranschluss entscheiden. Etwas weiter nördlich, in Sehnde bei Hannover, ist der Netzbetreiber htp schon etwas weiter. In der Kommune hat htp 4850 Haushalte ans Glasfasernetz angeschlossen. „Wir dimensionieren unsere Netze so, dass wir auch später Gebäude anschließen können“, erklärt htp-Geschäftsführer Thomas Heitmann. So ist das Netz in Sehnde für insgesamt 11.800 Haushalte ausgelegt.
Westconnect will in weiteren Städten, darunter Dortmund, Meppen und Warstein Glasfasernetze bauen und hat deswegen dort mit der Vermarktung begonnen
Foto: Westconnect
Etliche weitere Ankündigungen machte derweil das Joint Venture von Telekom und IFM Investors, die GlasfaserPlus. In den vergangenen Wochen kündigte das Unternehmen für 28 Kommunen den Bau eines FTTH-Netzes ab dem kommenden Jahr an. In Rothenburg ist GlasfaserPlus bereits tätig. Im zweiten Bauabschnitt soll ab 2024 die Altstadt erschlossen werden. Ende dieses Jahres sollen hingegen bereits die Bagger in Niederau anrollen. Dort will GlasfaserPlus 1440 Haushalte anschließen. Und in Tirschenreuth feierte das Unternehmen unlängst den Spatenstich. Hier sollen 4700 Glasfaseranschlüsse entstehen.
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