Urteil

LG München: o2 Unlimited verstößt gegen Endgerätefreiheit

Klarer Fall: Ein Mobil­funk­anbieter darf seinen Kunden nicht vorschreiben, dass sie ihren Inter­net­zugang nur mit Smart­phones, Tablets und anderen mobilen Geräten nutzen dürfen. Das verstößt gegen EU-Recht.
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Ein Mobilfunkanbieter darf seinen Kunden nicht vorschreiben, wie und womit sie eine Mobilfunkflatrate zu nutzen haben. Ein Mobilfunkanbieter darf seinen Kunden nicht vorschreiben, wie und womit sie eine Mobilfunkflatrate zu nutzen haben.
Fotos/Montage: teltarif.de, Logos: o2/vzbv
Ein Mobil­funk­anbieter darf seinen Kunden nicht vorschreiben, dass sie ihren Inter­net­zugang nur mit Smart­phones, Tablets und anderen mobilen Geräten nutzen dürfen. Der Ausschluss kabel­gebun­dener Geräte verstößt gegen die Endge­räte­frei­heit in der Euro­päi­schen Union und ist unwirksam. Das hat das Land­gericht München I nach einer Klage des Verbrau­cher­zen­trale Bundes­ver­bands (vzbv) gegen die Telefónica Germany GmbH & Co. OHG (bekannt als o2) unter dem Akten­zei­chen 12 O 6343/20 vom 28.01.2021 entschieden. Sollte o2 sich nicht daran halten, müssten sie 250.000 Euro bezahlen oder einen Firmen­ver­treter für 6 Monate "auf Staats­kosten urlauben" lassen.

„Kundinnen und Kunden dürfen frei wählen, mit welchen Geräten sie ihren Inter­net­zugang nutzen. Dieses Recht dürfen Anbieter nicht in ihren Tarif­bedin­gungen aushe­beln“, stellt die Rechts­refe­rentin Jana Brock­feld vom vzbv fest.

Statio­näre LTE-Router ausge­schlossen

Ein Mobilfunkanbieter darf seinen Kunden nicht vorschreiben, wie und womit sie eine Mobilfunkflatrate zu nutzen haben. Ein Mobilfunkanbieter darf seinen Kunden nicht vorschreiben, wie und womit sie eine Mobilfunkflatrate zu nutzen haben.
Fotos/Montage: teltarif.de, Logos: o2/vzbv
Im Mobil­funk-Tarif „o2 Free Unli­mited“ mit unbe­grenztem Daten­volumen hatte o2 den Inter­net­zugang nur für Endge­räte erlaubt, die eine mobile Nutzung unab­hängig von einem kabel­gebun­denen Strom­anschluss ermög­lichen. Ausdrück­lich ausge­nommen waren statio­näre LTE-Router, die einen Inter­net­zugang auch mit der SIM-Karte herstellen und auf belie­bige Endge­räte verteilen können.

Verstoß gegen freie Endge­räte­wahl

Das Land­gericht München schloss sich der Auffas­sung des vzbv an, dass Telefónica gegen die Verord­nung über Maßnahmen zum Zugang zum offenen Internet (VO 2015/2120) (TSM-VO) der Euro­päi­schen Union verstieß. Diese räumt Verbrau­chern ausdrück­lich das Recht ein, über ihren Inter­net­zugangs­dienst Endge­räte ihrer Wahl zu nutzen. Telefónica schließe dagegen jegliche Nutzung des Inter­net­zugangs mit kabel­gebun­denen Geräten aus, bean­stan­deten die Richter. Zahl­reiche Geräte, die sich für den Inter­net­zugang eigneten und üblich seien, könnten dadurch nicht genutzt werden. Das sei mit dem Grund­gedanken der Endge­räte­frei­heit nicht zu verein­baren.

Zugang zum offenen Internet

Susanne Blohm, Refe­rentin im Team Digi­tales und Medien, sieht die Endge­räte­frei­heit als inte­gralen Bestand­teil zur Gewähr­leis­tung des Zugangs zum offenen Internet. „Aus Verbrau­cher­sicht ist es ärger­lich, dass Anbieter seit Inkraft­treten der TSM-Verord­nung versu­chen, diese nach ihrem Belieben auszu­legen, sei es zum Thema Netz­neu­tra­lität, Roaming oder wie in diesem Fall zur Endge­räte­frei­heit. Dass Verbrau­che­rinnen und Verbrau­cher für gebuchte Dienste frei entscheiden können, welches Endgerät sie nutzen möchten, sollte fast sechs Jahre nach Inkraft­treten der Verord­nung eigent­lich selbst­ver­ständ­lich sein,“ so Blohm.

Telefónica hat Beru­fung einge­legt

Das Urteil des LG München I ist für den vzbv zunächst nur ein Etap­pen­sieg. Telefónica hat gegen die Entschei­dung Beru­fung beim OLG München (29 U 747/21) einge­legt. Wegen ähnli­cher Klau­seln hat der vzbv auch die Telekom Deutsch­land GmbH, die mobilcom-debitel und die Voda­fone GmbH verklagt. Zu diesen Verfahren liegen noch keine Gerichts­ent­schei­dungen vor.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Der Wunsch nach statio­närem gren­zen­losem Surfen über Mobil­funk bereitet den Anbie­tern Kopf­zer­bre­chen, weil es die Netze gewaltig belastet und allen Werbe­ver­spre­chen zum Trotz halten viele Mobil­funk­netze diese inten­sive statio­näre Nutzung bis heute nicht wirk­lich aus, weil es viel zu wenig Sender gibt, die dann auch viel zu schwach über antike Kupfer­drähte ange­bunden sind. Nur macht das paral­lele Angebot von o2 eines explizit für den Heim­betrieb zuge­las­senen "mobilen" Routers diese Posi­tion nicht unbe­dingt glaub­wür­diger. Und dann gibt es das EU-Recht, das da glas­klar jegliche Diskri­minie­rung verbietet.

Dass Mobilcom-Debitel auch vor den Kadi gezogen wurde, ist klar. Verschie­dene Angebot wie "freenet funk" und andere Tarife sind im Netz von o2 reali­siert und da wird o2 seinen Service-Provi­dern entspre­chende Vorgaben gemacht haben. Bei Voda­fone dürfte die Lage ähnlich sein, auch deren Netz könnte eine Aufrüs­tung vertragen. Viel­leicht möchten die Kauf­leute dort lieber "echtes Fest­netz" dazu verkaufen, um ihr teuer einge­kauftes "Glas­faser-Kabel-Netz" (was es gar nicht überall gibt) optimal auslasten zu können.

Das Münchner Urteil spricht Klar­text und vermut­lich wird auch die nächste Instanz das Urteil bestä­tigen. Das bedeutet für die mobilen Netz­betreiber, ihre Netze weiter massiv auszu­bauen. Das bedeutet für die Kunden, dass eine Alles-Drin-Flat­rate im Mobil­funk, die maximal 20 oder noch weniger Euro kosten darf, sich auf die Dauer kaum rechnen kann. Von wenig bis nichts kann man nicht viel Netz ausbauen.

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