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Editorial: Steve Ballmers wichtigste Präsentation

Tablet-Fähigkeiten von Windows 8 entscheiden über die Zukunft von Microsoft
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Seitdem der erste IBM PC vor fast 30 Jahren vorgestellt wurde, ist "Kompatibilität" das oberste Gebot der Computerindustrie. Wir schleppen bis heute jeden Unsinn, den die Ingenieure damals einbauten, als Altlast mit uns herum. Das beginnt schon bei der Tastatur, mit so sinnlosen Tasten wie "Num Lock" oder dem Dutzend Funktionstasten, deren in Abhängigkeit von drei verschiedenen Umschalttasten und pro Applikation variierende Detail-Belegung sich eh kein Mensch merken kann. Über "F5" für "Reload" im Browser und "Alt-F4" für "Fenster schließen" kommen nur die wenigsten Anwender hinaus. Dennoch sind selbst auf dem kleinsten Netbook alle Funktionstasten drauf - es könnte ja sein, dass der Anwender eine von denen für eine spezielle Applikation doch braucht.

Der Vorteil des Kompatibilitätswahns für den Betriebssystemhersteller: Er muss sich vergleichsweise wenig um die Spezifika einzelner Plattformen kümmern. Nach der Veröffentlichung eines System-Updates beschränken sich die Aufgaben der Hardware-Hersteller darauf, das neue System einzuspielen und noch ein paar Treiber zu ergänzen oder anzupassen: Fertig ist die "master copy" des Systems, die ab dann auf alle Rechner einer Serie eingespielt wird.

Vollkommen anders im Markt der mobilen Endgeräte: Die oft nur wenigen verbleibenden Tasten sind je nach Hersteller und Einsatzzweck des Geräts stark abweichend belegt. Display-Größe und -Auflösung unterscheiden sich um Größenordnungen. Der Prozessor-Chip ist nicht Intel-kompatibel, und beherbergt zudem meist zahlreiche weitere hochspezifische Funktionseinheiten für Audio- und Video-Codierung oder 3D-Grafik.

Letzter Termin CES 2011!?

Ohne spezielle Anpassung von Betriebssystem-Kern und -Oberfläche an das jeweilige Endgerät geht somit gar nichts. Aber das verlängert die Produktionszyklen, und zwingt entsprechend Microsoft, schon jetzt ein auf Tablets optimiertes Betriebssystem zu präsentieren, wenn sie es in ein oder zwei Jahren überhaupt verkaufen wollen.

Kein Wunder, dass die Gerüchteküche bereits heiß läuft, was Microsoft Anfang Januar alles auf der kommenden Consumer Electronics Show (kurz CES) vorstellen wird: Windows 8 soll Tablet-fähig sein, und sogar mit der heiligen Kuh der Intel-Kompatibilität brechen, in dem auch die im Handy-Bereich führenden ARM-Prozessoren unterstützt werden.

Freilich ist zu befürchten, dass Microsoft bei der Tablet-Edition von Windows 8 - ähnlich wie bereits bei Windows Phone 7 - enge Vorgaben bezüglich Tasten, Display, Prozessor, Hauptspeicher, Speicherkarte usw. an die Gerätehersteller macht. Auf diesem Weg ist es zwar Microsoft gelungen, mit Windows Phone 7 überhaupt wieder so etwas wie einen Fuß in die Tür des mobilen Endgerätemarktes zu bekommen. Der Preis ist aber, dass alle Windows-Handys nun mehr oder weniger gleich sind. Hohe Marktanteile wird Microsoft aber nur ergattern können, wenn sie ein für die ganze bekannte Gerätevielfalt passendes System bieten, vom Einsteiger-Smartphone mit niedrig auflösendem Display und resistivem Touch-Screen bis hin zum iPhone-Konkurrent.

Und so sind die Augen gespannt nach Las Vegas gerichtet. Schon letztes Jahr lief vor der CES die Gerüchteküche heiß, dass Microsoft-Chef Steve Ballmer ein Tablet zeigen werde. Das tat er dann auch - in dem er es ausgeschaltet in die Kamera hielt. Knapp einen Monat später stohl ihm dann Steve Jobs die Show, in dem er das iPad auch in Aktion zeigte.

Mal schauen, welcher Steve dieses Jahr das Rennen macht.

Nächstes Editorial am 9. Januar 2011

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