1&1 darf Bestandskunden das Widerrufsrecht nicht verweigern
1&1 muss auch Bestandskunden
bei einer wesentlichen Vertragsänderung
per Telefon oder Internet
ein Widerrufsrecht einräumen
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Der Westerwälder Telekommunikationsanbieter 1&1 darf
Bestandskunden bei einer Vertragsänderung das Widerrufsrecht nicht verweigern - zumindest dann
nicht, wenn der Vertrag in wesentlichen Punkten geändert wird und die Änderung über
"Fernkommunikationsmittel" (zum Beispiel per Telefon oder online) erfolgt ist. Das
entschied das Oberlandesgericht
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Koblenz (Az.: 9 U 1166/11, Urteil vom 28.03.2012) und
gab damit einer Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) in der Berufungsinstanz statt.
Im konkreten Fall hatte eine 1&1-Kundin einen DSL-Vertrag mit 6 MBit/s ("1&1 Service-Flat 6.000") genutzt und fristgemäß gekündigt. Kurz vor Ablauf des Vertrages wurde sie telefonisch von einem Mitarbeiter des Anbieters kontaktiert; der 1&1-Agent bot ihr daraufhin eine Vertragsverlängerung in einem neuen DSL-Paket ("1&1 Doppel-Flatrate 16.000") an, der die Kundin zunächst zustimmte. Im Laufe des Gesprächs informierte der 1&1-Angestellte die Kundin nicht über ein etwaiges Widerrufsrecht.
1&1 verweigerte den Widerruf der Vertragsverlängerung
1&1 muss auch Bestandskunden
bei einer wesentlichen Vertragsänderung
per Telefon oder Internet
ein Widerrufsrecht einräumen
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Am selben Tag bestätigte 1&1 seiner Nutzerin per E-Mail die Stornierung ihrer Kündigung und den
Tarifwechsel in das neue DSL-Paket. Die Kundin hatte es sich zwischenzeitlich allerdings anders
überlegt und erklärte, dass sie die Stornierung ihrer Kündigung des 1&1-Vertrags zurücknehme.
Das passte dem Anbieter aus Montabaur jedoch nicht - er beschied seiner Kundin schließlich in einer
E-Mail: "Das Widerrufsrecht besteht bei Neuabschlüssen eines Vertrages. Bei ihrem Tarifwechsel
handelt es sich um eine von ihnen beauftragte Inhaltsänderung im Rahmen eines bestehenden Vertrages.
Daher besteht kein Widerrufsrecht."
Die Kundin wandte sich an die Verbraucherzentrale, deren Dachverband vzbv schließlich Klage vor dem Landgericht Koblenz erhob. In der ersten Instanz verlor der vzbv vor Gericht noch, da die Richter des LG Koblenz der Meinung waren, die Verbraucherin sei aufgrund ihrer mehrjährigen Vertragszugehörigkeit bei der Beklagten sowohl über 1&1 als auch über dessen Produktportfolio ausreichend informiert gewesen. Es habe daher nicht "der typische Erstkontakt" vorgelegen, der ein Widerrufsrecht begründet hätte.
OLG: Wesentliche Vertragsänderung begründet erneutes Widerrufsrecht
Das sahen die Richter des Oberlandesgerichts Koblenz nun anders: "Der Verbraucher ist in gleichem Umfang in Bezug auf den Abänderungsvertrag wie bei einem Erstvertrag schutzwürdig", heißt es im Urteil - unter der Bedingung, dass es sich um neue "wesentliche Vertragsinhalte gegenüber der ursprünglichen Vereinbarung" handele und der Vertrag unter der Verwendung von "Fernkommunikationsmitteln" zustande gekommen sei.
Im Falle der Kundin habe sich das konkrete Produkt mit seinen Leistungen sowie auch der Monatspreis verändert. Dies gehe aber über die lediglich als "Tarifanpassung" seitens 1&1 bezeichnete Vertragsänderung hinaus und stelle daher den "Abschluss eines neuen Dienstleistungsvertrages" dar, urteilte das Gericht.
1&1 hätte seine Kundin daher über ihr Widerrufsrecht informieren müssen. "Da die Beklagte die Verbraucherin über dieses Widerrufsrecht nicht belehrt und später eine solche Belehrungspflicht verneint hat", gab das OLG Koblenz der Klage des vzbv daher statt und verurteilte den DSL-Anbieter dazu, ein solches Vorgehen zu unterlassen. Die Revision wurde nicht zugelassen.