Breitband

Scheitert der Glasfaser-Ausbau an der Nachfrage der Kunden?

Gleich mehrere Faktoren blockieren den Glasfaser-Ausbau
Von Thorsten Neuhetzki

Glasfasern bis in die Wohnung des Kunden - bis heute nur selten in Deutschland zu finden. Glasfaser bis in die Wohnung des Kunden - bis heute nur selten in Deutschland zu finden.
Foto: dpa
Es ist der wohl teuerste Netzausbau, den Deutsch­land bekommen würde - wenn es ihn gäbe: 80 Milliarden Euro würde es nach Angaben von Telekom-Technik­chef Bruno Jacob­feuerborn kosten, ganz Deutschland mit einem flächen­deckenden Glasfasernetz zu versorgen. Und es würde mangels entsprech­ender Baufirmen wohl etwa 20 Jahre dauern. 80 Milliarden Euro Investitions­summe würde rechnerische Kosten von annähernd 2 000 Euro pro Haushalt alleine für die Erschließung bedeuten. Doch der Ausbau läuft schleppend. Das könnte nicht zuletzt auch an der Nachfrage der Kunden liegen.

"Das Haupthemmnis ist im Moment die Nachfrage", sagte die Vize­präsidentin der Bundesnetz­agentur, Dr. Iris Henseler-Unger, vor einigen Tagen bei einer Glasfaser-Veranstaltung des Branchen­verbandes VATM. Auch Martin Witt, Vorstand Access beim Reseller 1&1 verdeutlichte, dass Markt und Nachfrage aufeinander abgestimmt werden müssen - etwa über die Entwicklung geeigneter Dienste und Anwendungen. Zudem seien die Kunden oftmals noch nicht so weit: "Es ist ein evolutionärer Schritt: Erst wenn nachfragegerechte Angebote geschaffen worden sind, entsteht für die Endkunden ein Mehrwert und die Bereitschaft, für 100 MBit/s oder mehr einen angemessenen Aufschlag zu zahlen.“

Kunden sind nur in Ausnahmen zu hoher Einmalzahlung für Glasfaser bereit

Glasfasern bis in die Wohnung des Kunden - bis heute nur selten in Deutschland zu finden. Glasfaser bis in die Wohnung des Kunden - bis heute nur selten in Deutschland zu finden.
Foto: dpa
Diesen Aufschlag benötigen die Anbieter weniger für die gelieferten Daten als vielmehr für die Leitung zum Kunden an sich. Wenn diese erst einmal liegt, muss sie finanziert werden. Das erfolgt oftmals nicht über eine (hohe) Einmalzahlung, die die meisten Privatkunden nicht leisten würden, sondern über höhere Grundkosten. Einige von Bürgerinitiativen ausgehende Glasfaserprojekte versuchen dennoch, ihre Glasfaseranschlüsse durch hohe Einmalkosten im vierstelligen Bereich zu refinanzieren.

In Nordfriesland etwa wird die Gemeinde Löwenstedt derzeit mit Glasfaser versorgt - es geht nur um wenige hundert Haushalte. Hier funktioniert die Erschließung durch Einmalzahlung, weil die Bürger keine wirkliche Alternative sehen. DSL gab es, wenn überhaupt, bislang mit 384 kBit/s im Downstream. Nun überspringt der Ort ein paar Evolutionsstufen und versorgt sich direkt mit Glasfaser. Die Resonanz der Kunden ist gut. Sie hatten die Wahl, Gesellschafter der Netzgesellschaft zu werden oder sich an den Erschließungskosten zu beteiligen. Die Kosten lagen hier jeweils bei 700 bis 1 000 Euro, teils als langjähriges Darlehen für die Gesellschaft.

In Großstädten hingegen sehen die Kunden derzeit oftmals keinen Bedarf, sich Kosten von mehreren hundert oder gar tausend Euro ans Bein zu binden. Schließlich bekommen sie in der Regel per VDSL schon 50 MBit/s, per Kabel können sie je nach Region 100 oder gar 150 MBit/s bekommen und sogar per Mobilfunk könnten sie mit bis zu 150 MBit/s versorgt werden. Angesichts fehlender Inhalte, die diese noch schnelleren Leitungen ausreizen könnten, wird nur noch die wirkliche Internet-Freak-Klientel bereit sein, derzeit für noch mehr Downstream noch mehr Geld zu bezahlen. Zudem ist absehbar, dass die Kabelanbieter quasi per Mausklick bis zu 400 MBit/s Downstream anbieten könnten.

150 MBit/s per Kabel sind vorhanden - sind aber kein Glasfasernetz

Für wirklichen Breitbandhunger muss aber auch das Netz der Kabelanbieter nachgerüstet werden. Bei Kabel handelt es sich um ein Shared Medium. Sprich: Hat ein Kabelanbieter in einem Wohnblock eine hohe Kundendichte und alle Kunden surfen gleichzeitig mit hohen Datenraten, so bekommt jeder einzelne Kunde nur einen Bruchteil der gebuchten Datenrate. Erst ab einem Knotenpunkt, der die Daten des gesamten Viertels einsammelt, sind die Daten nicht mehr im Koaxialkabel, sondern per Glasfaser unterwegs. Um den Effekt des Shared Medium zu mindern, müssen als auch die Kabelanbieter ihr Glasfasernetz immer näher an die Kunden bringen.

Diesen Weg will wie berichtet nun auch die Deutsche Telekom einschlagen. Der erste Schritt dazu lautet VDSL Vectoring. Die Telekom verbucht diese geplanten 100-MBit/s-Anschlüsse bereits unter Glasfaseranschlüssen. Das ist jedoch genau so richtig oder falsch wie beim Kabel-Anbieter, der mit Glasfaser wirbt. Die Leitung zwischen Knotenpunkt (Kabelverzweiger) und Kunde bleibt erst einmal eine Kupferleitung. Echte Glasfaseranschlüsse bringen das Signal jedoch mindestens bis in den Keller. Diesen Schritt geht die Telekom nur in einer übersichtlichen Anzahl an Orten und hier auch nur in bestimmten Gebieten.

Telekom hat Pläne für 500 MBit/s in der Schublade

Doch wie Telekom-Technik-Chef Jacobfeuerborn gegenüber teltarif.de sagte, hat das Unternehmen den nächsten Zwischenschritt schon in der Schublade. In einigen Jahren, so der Plan, werde die Telekom in den VDSL-Vectoring-Gebieten weitere aktive Technik zwischen Kunde und Kabelverzweiger einbauen. 500 MBit/s will die Telekom mit der als FTTDP (Fibre to the Distribution Point) bezeichneten Technik erreichen - ohne die Probleme eines Shared Medium und mit einem höheren Upstream als es das Kabelnetz ermöglicht. Von diesem Distribution-Point, der etwa im Bürgersteig vor der Haustür liegen könnte, sind es dann nur noch wenige Meter, die die Glasfaser wirklich in die Wohnung gelegt werden müsste - der wohl aufwändigste Schritt beim Glasfaser-Ausbau.

Doch letztlich steht und fällt alles mit der Nachfrage der Kunden nach diesen Produkten und den Preisen, die sich erzielen lassen. Und hier lassen der Wettbewerb und die Angebotsvielfalt in größeren Städten kaum einen hohen Preis zu - zumindest nicht, solange die Kunden keinen Bedarf an extrem hohen Datenraten haben. Doch die Vizepräsidentin der Bundesnetzagentur warnte beim VATM-Glasfasertag, das mangelnde Interesse der Kunden sei bedauerlich, es sei aber erforderlich - trotz geringer Nachfrage - jetzt auszubauen, um für die zukünftige Nachfrage vorbereitet zu sein.

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