Netzausbau

Glasfaser ist schnell - der Ausbau zu langsam

Ein schnellerer Ausbau von Glasfasernetzen wird immer wieder gern gefordert - aber bezahlen will ihn keiner. Eine schnelle Lösung gibt es nicht - aber Anbieter experimentieren mit günstigeren Verlegemethoden.
Von Marie-Anne Winter mit Material von dpa

 Glasfaserkabel Auf dem Marktplatz von Bretten (Baden-Württemberg) wird ein Leerrohrbündel mit Glasfaserkabeln des Breitband-Versorgers BBV gezeigt.
Foto: Uli Deck/dpa
Immer wieder sonntags starrt Lars Vollmer genervt auf seinen Bildschirm und schiebt schon mal Datenmengen in Richtung Chef. Der will nämlich montags die von Vollmer erarbeiteten Präsentationen "auf dem Tisch" - sprich: in seinem Postfach haben. "Wenn ich am Wochenende nicht schon anfange, kann ich es vergessen", sagt Vollmer. Denn der Datentransfer in seinem Wohnort, einem Stadtteil von Bretten (Kreis Karlsruhe), ist langsam und dauert dann gerne viele Stunden. Das soll bald anders werden, ist aber schwierig - und damit exemplarisch für so manches  Glasfaserkabel Auf dem Marktplatz von Bretten (Baden-Württemberg) wird ein Leerrohrbündel mit Glasfaserkabeln des Breitband-Versorgers BBV gezeigt.
Foto: Uli Deck/dpa
Problem mit dem Glasfaserausbau im Land.

In Bretten hat sich zwar ein Glasfaser-Anbieter gefunden. Bis Mitte Juli war das Unternehmen in der 30 000-Einwohner-Stadt auf Werbetour. Unabhängig davon gründete Vollmer mit Mitstreitern eine Bürgerinitiative [Link entfernt] , Blog, Videos und Infoveranstaltungen inklusive. Aber die notwendige Mindestanzahl von Vertragsnehmern zu finden, gestaltete sich zäh - selbst im Gewerbegebiet.

Der Bedarf kommt, aber jetzt will noch keiner zahlen

Privatleute wie auch kleinere Unternehmen zögern trotz aller Werbekampagnen oft, die Chance für eine Anbindung an das Highspeednetz zu ergreifen. "Einer Studie zufolge dürfte der Bedarf für Glasfaser um 2020 zwar bei 90 Prozent liegen", sagt Breitband-Experte Michael Reiss vom Ministerium für Ländlichen Raum. Aber für den kleinen Unternehmer zähle die Frage: "Was kostet mich das jetzt." "Grade kleine und mittlere Unternehmen fahren auf Sicht und planen nicht langfristig", sagt er. "Sie reagieren erst auf aktuelle Bedürfnisse."

Dabei gilt Glasfaser als die Zukunftstechnologie schlechthin: Die Leitungen sind viel schneller als etwa herkömmliche Kupferkabel und ideal für den Transport großer Datenmengen. Schon die Vorgängerregierung des Landes machte sich stark für den Ausbau. Nach den Landtagswahlen kündigte die neue grün-schwarze Regierung an, bis 2021 rund 325 Millionen Euro in die Digitalisierung fließen zu lassen. Mittelfristig solle jeder Haushalt eine Glasfaserverbindung haben, so der für Digitalisierung zuständige Innenminister Thomas Strobl (CDU). Aber was heißt mittelfristig?

Das gute Kupfernetz macht alles noch schwieriger

Schwer einzuschätzen, sagt Reiss. Auf die öffentliche Hand sollte niemand setzen, da ist EU-Recht vor: Erst wenn sich kein privater Anbieter findet, der eine Gemeinde mit Breitbandtechnologie ausstatten will, kann das Land ins Spiel kommen und Fördergelder ausschütten. Zur Zeit haben lediglich 2,5 Millionen Haushalte bundesweit einen Zugang zum Glasfasernetz. In Baden-Württemberg sind es rund 65 000.

Dass der Glasfaserausbau sich zäh dahinschleppt hat viele Ursachen. Eine davon ist, dass Deutschland schon über ein gutes Kupferkabelnetz verfügt, erklärt Wolfgang Heer vom Bundesverband Glasfaseranschluss (Buglas). Die Telekom, die mit der Vermarktung der Zugänge viel Geld verdiene, wolle sich mit Umrüstung auf Glasfaser nicht die eigene "Cash-Cow Kupferkabel" zerschießen, sagt er.

Allerdings sieht die Telekom das anders - Telekom-Chef Tim Höttges hatte auf der vergangenen Hauptversammlung der Telekom die Wettbewerber kritisiert: Sie sollten aufhören zu jammern, sondern lieber selbst mehr den Breitbandausbau investieren. Doch wie man es dreht und wendet: Ein flächendeckender Glasfaserausbau ist teuer.

Hohe Tiefbaukosten

Da sind etwa die im EU-Vergleich sehr hohen Tiefbaukosten für die Verlegung der Glasfaserleitungen - gepaart mit den EU-weit niedrigsten Preisen für Endverbraucher. Kein gutes Geschäft für Betreiber, die sich dann den Ausbau in Kommunen gleich dreimal überlegen, meint Heer. Die Zahlungsbereitschaft für Glasfaser sei bei Unternehmen wie Privatleuten noch extrem gering. "Das Bewusstsein über gutes Breitband ist bei höchstens einem Drittel der Unternehmen vorhanden", ergänzt Thomas Fuchs vom Breitband-Versorger BBV.

Peter Kulitz, Präsident des baden-württembergischen Industrie- und Handelskammertages, empfiehlt, dass alle alternativen Verlegetechnologien "ergebnisoffen" überprüft werden: "Da, wo beispielsweise die Verlegung von Breitbandleitungen in Wasserleitungen gefahrlos möglich sind, könnten sie eine schnelle und kostengünstige Lösung darstellen." Das Ministerium für Ländlichen Raum will "in Kürze erste Gespräche mit privaten Investorengruppen bezüglich möglicher Modelle zur Mobilisierung privaten Kapitals führen".

Vollmer bangte bis zuletzt, kann aber wohl aufatmen. Bis genügend Verträge zusammenkamen, war es "wie in einem spannenden Krimi", sagt er. Aber jetzt will der private Anbieter seinen und vier andere Stadtteile anschließen. "Und mein Sonntag gehört wieder der Familie."

Der Branchenverband Breko, in dem viele alternative Netzbetreiber vertreten sind, hatte das Wissenschaftliche Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (WIK) mit einer Studie beauftragt, die mögliche Erfolgsfaktoren für einen Glasfaserausbau identifizieren sollte. Diese Studie liegt inzwischen vor. Wie die "zwölf Gebote" für den erfolgreichen Glasfaserausbau lauten, können Sie in der entsprechenden Meldung lesen.

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