VATM: Telekom-Sanierung durch Kupferleitungs-Mieten
Das VATM-Präsidium - rechts Jürgen Grützner. Das Bild entstand vor Corona.
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Der Bericht über die Kritik des VATM an der Deregulierung der Einkaufspreise für Leistungen und Leitungen der Telekom fand Resonanz. Während viele Leser aus dem Privatkundenbereich unserer Argumentation folgen konnten, hat sich Jürgen Grützner vom VATM noch einmal gemeldet und versucht, den Kern des Problems zu erklären.
Weniger der Privatkundenmarkt
Das VATM-Präsidium - rechts Jürgen Grützner. Das Bild entstand vor Corona.
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Das Problem, so Grützner im Gespräch mit teltarif.de, betreffe weniger die Anbieter, die einen breiten Privatkundenmarkt betreuen möchten, sondern bei den auf Geschäftskunden spezialisierten Unternehmen, die spezielle Kunden mit Sonderwünschen und bestimmten Anforderungen an Zuverlässigkeit, Ausfallsicherheit, oder bestimmte Technik (z.B. ISDN) etc. bedienen möchten.
Grützner nannte ungefähre Zahlen: Etwa die Hälfte der Geschäftskunden aus der Wirtschaft kaufe bei den Wettbewerbern der Telekom (die meist im VATM organisiert sind) ihre Telekommunikationsschlüsse und Dienste ein.
Geschäftskunden weiter verstreut
Von einem Schaltkasten an der Straße (Kvz) aus gesehen, gäbe es dahinter nicht so viele Geschäftskunden, dass sich für diese Unternehmen sofort die Verlegung eigener Leitungen (z.B. Glasfaser) bis zu diesem Verteilerkasten oder bis zum Kunden ins Haus rentieren könnte. Diese Anbieter sind also komplett auf Vorleistungen der Telekom angewiesen, die nun teurer werden sollen.
Höhere Preise - niedrigere Qualität?
Die Telekom wolle künftig höhere Preise für die bereits vorhandene Kupferleitung nehmen und reduziere teilweise die Qualität oder das Angebot (z.B. die schon erwähnten "Standleitungen"). Einfach formuliert: "Die Leistung wird nicht besser, nur teurer". Daraus leitet Grützner den Vorwurf der "Remonopolisierung" und eine "Beschneidung des Wettbewerbs" ab.
Wahrscheinlich befürchtet der VATM, dass mancher Geschäftskunde bei steigenden Preisen des privaten Wettbewerbs versucht sein könnte, künftig direkt bei der Telekom einzukaufen, sofern sie seine Sonderwünsche erfüllen können. Natürlich würden die privaten Anbieter auch Glasfaser ausbauen und würden diese gerne auch an die Telekom vermieten, hier gäbe es dann gewaltige Diskussionen über die Preise, woran solche Projekte oft scheiterten.
Telekom will sich sanieren?
Grützner wirft der Telekom vor, mit der Erhöhung der Kupfer-Leitungs-Mieten wolle sich die Telekom sanieren. Ja, die Telekom würde ihm sogar antworten, dass sie auch lieber gerne Glasfaser bauen würde, dafür aber zunächst erst einmal die höheren Kupferpreise bräuchte, quasi als Investment in eine ungewisse Zukunft.
Bundesnetzagentur bleibt gefragt
Auch wenn die Regulierung gelockert wird, bleibt die Bundesnetzagentur weiterhin als Schiedsrichter im Spiel. Wenn sich die privaten Wettbewerber mit der Telekom nicht einigen können, können sie sich bei der Bundesnetzagentur formal beschweren und um einen Schlichterspruch bitten. Das Verfahren ist natürlich ziemlich zeitraubend und dadurch kostenintensiv.
Der Markt wird sich sicher verändern. Mancher Geschäftskunde könnte vielleicht direkt zur Telekom wechseln, mancher Anbieter im Wettbewerb könnte "tief durchatmen" und versuchen, so nahe wie möglich zum Kunden doch eigene "Leitungen" und eigene Technik zu installieren. Die Zeiten, wo Telekommunikation stündlich oder täglich billiger wurde, könnten irgendwann vorüber sein.