Roaming: Wenn Schweizer reisen, kann es teuer werden
Viele Grenzen in Europa sind seit Montag endlich wieder offen. Seit dem 15. Juni 2020 gilt für wieder die volle Reisefreiheit zwischen der Schweiz und Frankreich, Österreich und Deutschland. Ebenso sind Reisen in viele andere europäische Länder wieder möglich.
Das bedeutet, man kann wieder ins Ausland fahren und sein Handy mitnehmen. Für Mobilfunk-Verträge aus den EU-Mitgliedsstaaten ist alles wie "vor Corona" geblieben: Man nimmt seinen Heimat-Tarif ins EU-Reiseland mit. Wie sieht das aber grundsätzlich für Kunden mit Schweizer Mobilfunkverträgen (Postpaid/Prepaid) aus?
Große Kostenfallen für Schweizer im Ausland
Die Schweiz ist bekanntlich kein EU-Mitglied, also gelten auch die EU-Roaming-Richtlinien für Schweizer nicht. Das hat Nachteile
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Ralf Beyeler, einst bei teltarif.ch und heute beim Schweizer Online-Vergleichsportal moneyland.ch, hat sich die Schweizer Mobilfunk-Tarife näher angeschaut: "Auch im nahen Ausland lauern Kostenfallen. Je nach Anbieter sind die Roaming-Kosten auch in Europa immer noch sehr hoch", lautet sein Fazit und warnt vor "unangenehmen Kostenfallen".
Beyeler empfiehlt vorher "Roaming-Optionen für Telefongespräche und das mobile Internet" zu prüfen, wo die Standard-Tarife zu teuer sind.
Swisscom hat die Roaming-Preise nicht gesenkt
Beyeler fiel auf, dass Swisscom dieses Jahr die Preise für das Daten-Roaming in Europa und darüberhinaus erstmalig nicht weiter gesenkt hat. In den vergangenen Jahren hatte der größte Schweizer Telekom-Anbieter jeweils im März oder April die Preise für Daten-Roaming-Pakete reduziert.
"Es ist erstaunlich, dass Swisscom jetzt nicht mehr auf das Thema Roaming setzt", analysiert Beyeler die Lage, "dass die Swisscom zulässt, dass Konkurrenten je nach Nutzungsverhalten viel attraktivere Konditionen für das Roaming anbieten".
In der Vergangenheit hatten die "Preisoffensiven der Swisscom" andere Anbieter zu Reaktionen genötigt. Dieses Jahr sei es im Schweizer Telekom-Markt "sehr ruhig" geblieben. "Dies kann natürlich auch an der Corina-Pandemie liegen."
Doch nun hat vor wenigen Tagen der konkurrierende Schweizer Anbieter Sunrise neue Konditionen für das Daten-Roaming bekannt gegeben. Aber Vorsicht: Neben Preissenkungen gab es auch eine Erhöhung des Datenvolumens zum gleichen Preis oder sogar echte Preiserhöhungen.
Schweizer Roaming-Kosten im Vergleich
moneyland.ch hat ähnlich wie teltarif.de mit einem "Roaming-Rechner" die aktuellen Roaming-Tarife für EU-Länder verglichen. Für diesen Vergleich wurde folgendes Kundenprofil gewählt: Der Musterkunde ist für 14 Tage im Jahr in Europa (speziell in Spanien), nutzt in seinen Ferien etwa 1000 MB Daten-Roaming und führt 60 Telefonate mit einer Gesprächsdauer von jeweils zwei Minuten. In der Auswertung wurden Angebote mit Inklusiv-Roaming nicht berücksichtigt.
Ergebnis: Es gibt sehr große Unterschiede zwischen den Angeboten. Am günstigen kommt der Musterkunde mit den Anbietern Lebara (Schweiz) und Yallo weg: Je 40 Franken (umgerechnet 36 Euro) kosten die 60 Telefongespräche und 1000 MB Datenvolumen bei diesen beiden Anbietern.
Interessant ist, dass die bekannten Anbieter Swisscom, Sunrise, Salt, Lidl Connect (Schweiz) sowie Aldi Mobile (Suisse) und Wingo praktisch gleich teuer sind. Alle genannten Anbieter berechnen dem Beispiel-Kunden rund 60 Franken (etwa 54 Euro) für das gewählte Nutzungsprofil.
Kosten bis zu 22 200 Euro
Es kann aber auch "teuer" werden. Mit "Digitec Connect" würde man etwa 143 Euro bei Lidl (Schweiz) und bei Salt 257 Euro zahlen, bei "TalkTalk" sogar knapp 1080 Euro. Spitzenreiter wäre "ok.-" von Valora mit 22 200 Euro (!). Da es sich um Prepaid handelt, müssen die Kunden keine Angst vor einer "Horrorrechnung" haben, denn das Guthaben wäre vorher längst "alle".
Im Vergleich zum Juni 2019 fallen einige Preiserhöhungen auf: Bei nicht weniger als fünf Schweizer Mobilfunk-Anbietern sind die Preise gestiegen. Preissenkungen gab es nur bei zwei Anbietern. Die Konditionen der günstigsten Anbieter haben sich nicht geändert, während vor allem Anbieter im mittleren Preisbereich ihre Preise erhöht haben.
Daten-Roaming in Europa: Riesige Preis-Unterschiede
Immer mehr Kunden telefonieren im Ausland gar nicht mehr, sondern nutzen ausschließlich das Internet. Dafür hat moneyland.ch auch die Kosten für europäisches Daten-Roaming ohne Sprach-Telefonie verglichen.
Hier sind die Unterschiede zwischen den Anbietern riesig: 1 GB Daten-Roaming in Europa ist für Abo-Kunden von "TalkTalk" mit zehn Franken (9,40 Euro) am günstigsten. Auf dem zweiten Platz folgt "Mucho Mobile" mit 13,10 Euro für 1 GB Daten-Roaming, gefolgt von Swisscom mit 14 Euro.
Kunden von Sunrise, ALDI Suisse mobile, MBudget Mobile, Salt, Yallo und Lebara bezahlen mit knapp 19 Euro etwas mehr. Coop Mobile (38 Euro) oder UPC (57 Euro) liegen im Mittelfeld, die Krönung sind sind wieder "TalkTalk" und "ok.-Mobile" mit theoretischen 940 Euro bzw. 21 000 Euro.
Bei 3 GB Datenvolumen ist Sunrise mit 19,80 Euro am günstigsten, gefolgt von der hauseigenen Billigmarke Yallo und Lebara (jeweils nur mit Abo) mit 23,40 Euro. Wesentlich teurer sind Swisscom (37,30 Euro) und Salt (56 Euro). "Ein Kunde, der 3 GB Daten im Ausland überträgt, bezahlt bei Swisscom doppelt so viel wie bei Sunrise. Ein Salt-Kunde bezahlt sogar das Dreifache des Swisscom-Kunden."
Das gleiche Bild zeigt sich bei der Nutzung von 10 GB Datenvolumen im europäischen Ausland. Auf dem ersten Platz bleibt Sunrise mit 28 Euro und Yallo und Lebara mit 33 Euro. Alle drei Angebote beinhalten mit 40 GB ein sehr grosses Datenvolumen. Wesentlich teurer sind die Swisscom (127 Euro) und Salt mit fast 131 Euro für 10 GB Datenvolumen.
Kostenfalle Standardtarif
Seit Jahren setzen Schweizer Anbieter auf eine "kundenfeindliche Strategie": Sehr hohe Standardtarife für Kunden, die sich vor der Nutzung nicht informieren. Andererseits gibt es attraktive Tarife im Rahmen von Optionen und Paketen für Kunden, die sich vor einer Reise erkundigen.
Laut der offiziellen Statistik des Schweizer Bundesamtes für Kommunikation (BAKOM) haben im Jahr 2018 84 Prozent aller Roaming-Kunden zum Schweizer Standardtarif telefoniert. Auch wenn in dieser Zahl auch Tarife mit Inklusiv-Roaming enthalten sein dürften, zeige diese Statistik, dass immer noch viele Mobilfunk-Kunden vor der Auslandreise keine Optionen buchen. Das kann richtig ins Geld gehen.
Ein Beispiel: Salt-Kunden, die vor den Ferien eine Roaming-Option buchen, bezahlen in Europa pro Gesprächsminute etwa 19 Cent. Ohne diese Option bezahlen sie hingegen bis zu zwei Euro pro Minute. Noch grösser ist die Differenz ausserhalb Europas: Salt-Kunden bezahlen mit Option etwa 37 Cent pro Minute - ohne Option bis zu 4,70 Euro - pro Minute.
Natürlich laufen auch bei Optionen teure Kostenfallen: Nach der Rückkehr nach Hause müssen diese Optionen abbestellt werden, sonst kosten sie wie weiter Monat für Monat, selbst wenn der Kunde nicht im Ausland ist.
Sind Verträge mit Inklusiv-Roaming sinnvoll?
Schweizer Telekom-Anbieter setzen stark auf Handy-Tarife mit Inklusiv-Roaming. Die sind praktisch, da Kunden dann - zumindest in Europa - ihr Smartphone relativ bedenkenlos nutzen können. Für den typischen Ferienreisenden (einmal pro Jahr) sind sie laut Beyeler viel zu teuer. "Da lohnt sich die höhere Grundgebühr in der Regel nicht".
Karte in Deutschland kaufen?
Unser Tipp für Schweizer, die regelmäßig nach Deutschland kommen: Der Kauf einer deutschen Karte könnte sich nach wie vor lohnen. Bei Prepaid ist zwar eine Video-Registrierung per App oder direkt im Geschäft notwendig, das sollte aber in der Regel keine Probleme darstellen, wenn man seinen Reisepass oder ID-Karte dabei hat.
Welchen Anbieter und Tarif man wählen sollte, kann auf unseren Tarifvergleichsseiten ersehen werden.
Tipps für Deutsche in der Schweiz
Deutsche Kunden, die in die Schweiz fahren, sollten ihren Tarif genau prüfen. Nur die Deutsche Telekom hat die Schweiz ganz oder teilweise in ihre EU-Roaming-Tarife inkludiert.
Kunden von Vodafone oder o2 müssen entweder eine Option buchen oder sich vor Ort in der Schweiz eine Karte kaufen. Die Schweizer kann man später dann auch in Deutschland in allen drei Netzen verwenden, was auch interessant sein kann.