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Editorial: Ist mobiles Internet nur eine Nebenleistung?

Vodafone hat die Tarife für zusätzliches Datenvolumen via SpeedOn drastisch erhöht. Dürfen sie das auch bei laufenden Verträgen? Oder hat der Kunde ein Recht auf konstante Preise während der Vertragslaufzeit?
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Dem einen oder anderen Leser mag der folgende Text bekannt vorkommen. Das ist nicht ohne Grund, denn der Frage, welche Preise ein Anbieter auch bei laufenden Verträgen verteuern darf, waren wir in bezug auf Vodafone bereits vor knapp einem Jahr nachgegangen. Damals waren die Kosten der Portierung einer Rufnummer zu einem neuen Anbieter der Stein des Anstoßes, dieses Mal sind es die Kosten für die Nachbuchung eines Datenvolumens. Beide Male stellt sich die Frage: Handelt es sich hier um eine Haupt- oder eine Nebenleistung?

Früher hatten es Verbraucher bei Preiserhöhungen tatsächlich einfacher als heute: Denn bei der Deregulierung des Telekommunikationssektors wurde 1998 in § 28 der Telekommunikationskundenschutzverordnung (kurz: TKV) festgeschrieben, dass Kunden bei Preiserhöhungen ein außerordentliches Kündigungsrecht haben. Bis zu einem Monat, nachdem die Kunden über eine Preiserhöhung und das damit verbundene Sonderkündigungsrecht informiert wurden, konnten die Kunden kündigen, unabhängig davon, welche Restlaufzeit der zugrunde liegende Vertrag noch hat.

Ist mobiles Internet nur eine Nebenleistung? Ist mobiles Internet nur eine Nebenleistung?
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Im Laufe des Jahres 2002 wurde diese sehr verbraucherfreundliche Regelung jedoch ersatzlos gestrichen. Sehr verbraucherfreundlich war sie deshalb, weil selbst solche Preiserhöhungen, bei denen der Anbieter rein die Erhöhung von Steuern oder notwendigen Vorleistungen umlegte, zu einem Sonderkündigungsrecht für die Verbraucher führten. Beispiel: Anfang dieses Jahres hat die Deutsche Post das Porto für einen Standardbrief von 58 auf 60 Cent erhöht. Legt ein Tk-Anbieter das im Verhältnis auf seine Kunden um, und erhöht seinerseits die Pauschale für den Rechnungsversand von 1,00 auf 1,03 Euro, dann würde die alte TKV-Regelung den Kunden dennoch ein Sonderkündigungsrecht geben. Leistungen des Anbieters für die Kundengewinnung, allen voran die immer noch übliche Handysubvention, wären dann verloren.

Vorbehalt in den AGB

Mit dem ersatzlosen Wegfall von § 28 TKV befindet sich das Thema "Preiserhöhungen bei Laufzeitverträgen" nun im rechtlichen Niemandsland. Denn weder im BGB noch im TKG ist geregelt, wie mit solchen Preiserhöhungen zu verfahren ist. Es gibt weder einen Paragraphen, der Preisanpassungen erlaubt, noch einen, der sie verbietet. Deswegen behalten sich Tk-Anbieter in ihren AGB regelmäßig vor, Preisanpassungen vorzunehmen. Doch unterliegen solche AGB-Regeln natürlich immer der Inhaltskontrolle gemäß §§ 307 bis 309 BGB. Eine Klausel, mit der sich ein Anbieter während der Laufzeit eines Vertrags beliebige Preiserhöhungen vorbehält, würde in der Praxis fast immer von den Gerichten kassiert werden, weil sie die Verbraucher einseitig benachteiligt. Erst den Vertrag für 10 Euro pro Monat abzuschließen und dann nach drei Monaten auf 20 Euro pro Monat zu erhöhen, geht also nicht.

Doch wie muss eine Änderungsvorbehaltsklausel aussehen, damit sie wirksam ist? Auf diese Frage gibt der Gesetzgeber in Deutschland keine Antwort. Das Problem betrifft übrigens nicht nur Tk-Verträge, sondern allgemein alle langlaufenden Dienstleistungsverträge, von der Stromlieferung über das Fitness-Studio bis zum Zeitschriften-Abo. Für etliche Branchen, zum Beispiel Versicherungen oder Wohnungsvermieter, existieren zwar zusätzliche Gesetze, die dort die Regelungen für Preisanpassungen in laufenden Verträgen klar vorschreiben. Aber es fehlt eine allgemeine gesetzliche Regelung für alle anderen Branchen.

Auch ohne exakte gesetzliche Regelung hat sich in der Rechtsprechung aber mittlerweile eine Linie herausgebildet, wie Änderungsvorbehaltsklauseln - auch außerhalb der Telekommunikation - aussehen können. Dabe wird in der Regel zwischen so genannten "Hauptleistungen" und "Nebenleistungen" unterschieden. Für Hauptleistungen darf nun eine Preisanpassung nur für den Fall vorbehalten werden, dass sich Steuern oder andere notwendige Kosten des Anbieters für Vorleistungen erhöhen und die gestiegenen Kosten umgelegt werden. Bei Nebenleistungen darf sich der Anbieter hingegen auch das Recht für größere Preisänderungen vorbehalten.

Darf also Vodafone, wie jüngst geschehen, das Entgelt für die Nachbuchung von 1 GB mobilem Datenvolumen in bestimmten Tarifen glatt Verdreifachen? Nun, das hängt davon ab, was Neben- und was Hauptleistung ist, wie auf der nächsten Seite erläutert.

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