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Editorial: Schon wieder ein Handy-Hersteller in der Krise

Wer liefert künftig die Handys?
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Wachstumsmärkte sind für die daran beteiligten Unternehmen eigentlich immer die schönsten Märkte: Wenn jedes Jahr mehr Geld zu verteilen ist, dann bleibt in der Regel auch für diejenigen Hersteller genug übrig, die nicht optimal gewirtschaftet haben. Doch im Handy-Bereich scheint das nicht zu gelten: Steigenden Absatzzahlen zum Trotz gerät ein Top-Hersteller nach dem anderen unter Druck oder gibt ganz auf.

Vor sechs Jahren musste bereits Ericsson die Unabhängigkeit aufgeben und die Handy-Sparte mit dem japanischen Sony-Konzern zusammenlegen. In der Folge sanken die Marktanteile weiter, erst in den letzten Jahren konnte der Hersteller Sony-Ericsson unter anderem durch Nutzung der starken Sony-Marken "Cybershot" (Digitalkameras) und "Walkman" (Musikabspielgeräte) seine Position etwas festigen.

Über den kläglichen Abgang von Siemens ist in den letzten Monaten so viel berichtet worden, das braucht man nicht zu wiederholen. Zwar ist der Marktanteil der zwischenzeitlich mit BenQ zusammengelegten Handysparte noch immer nicht auf Null gesunken. Doch das meiste, was noch verkauft wird, ist Lagerware zum Schnäppchenpreis.

Der nächste Wackelkandidat

Und nun Motorola. Im 2. Quartal des Vorjahres noch 1,349 Milliarden US-$ Gewinn, dieses Jahr ein Verlust von 38 Millionen US-$. Ohne die Umstrukturierungskosten, die vor allem wegen einem massiven Stellenabbau in der Handy-Sparte anfallen, wäre zwar ein Gewinn verblieben, aber auch dieser läge weit unter Vorjahresniveau.

Das Problem war angekündigt. Schon vor einem Jahr warnte Gartner, dass Motorola dringend einen Nachfolger für das vor drei Jahren eingeführte superflache RAZR V3 benötigt. Dieser ist erst jüngst der Öffentlichkeit vorgestellt worden. Fast drei Jahre zwischen zwei Modellen sind aber zu lang für einen Markt, in dem die Verbraucher meist schon wesentlich früher ein neues Gerät kaufen.

Wenige Modelle

Problematisch ist für die Hersteller insbesondere, dass es trotz einer unüberschaubaren Gerätevielfalt dennoch nur wenige Handys sind, die die Masse des Marktes ausmachen. Analystenzahlen zufolge waren es im ersten Halbjahr nur zehn Handys, die 45 Prozent des Marktes bestimmten. Verliert eines davon - etwa das noch führende V3 - an Popularität, dann drohen dessen Hersteller gleich massive Einbrüche. Lediglich Nokia schafft es anscheinend, seinen hohen Marktanteil auf eine Vielzahl von Geräten zu verteilen und entsprechend weniger abhängig von Schwankungen bei einem einzelnen Handy zu sein.

Ein weiterer Faktor ist, dass der Anteil der Entwicklungs- und Integrationskosten weiterhin hoch ist. Diese hat der Hersteller aber unabhängig davon, ob er 100, 100 000 oder 100 Millionen Geräte einer Serie verkauft. Doch technisch top-fit zu sein, reicht nicht: Nebenbei muss der Hersteller mit seinem Design zugleich den Geschmack der Kunden und Kundinnen treffen.

Schließlich verkompliziert der Verkauf über die Mobilfunk-Netzbetreiber die Situation abermals. In der Regel will dieser nur eine kleine Anzahl an Geräten in seinen Läden, denn jedes zusätzliche Geräte verursacht zusätzliche Kosten: Zertifikation im eigenen Netz, Anpassung der Software und gegebenenfalls sogar Hardware für das eigene Branding, Schulungen des Verkaufs- und Servicepersonal und dergleichen mehr.

Antizyklisch Verhalten!

Der Markt bleibt also schwierig. Herstellern bleibt zu raten, in "guten Zeiten", wenn der Preis es zulässt, kräftig Rücklagen für schlechte Zeiten zu bilden. Die Freisetzung von Entwicklern, wie Motorola sie betreibt, könnte hingegen bedeuten, dass man sich von der technischen Entwicklung und damit vom Markt abkoppelt. Besser, man bringt auch dann Innovationen, wenn das Geschäft gerade nicht so gut läuft.

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