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Editorial: Gebühren für Portale

Internet-Ambitionen von ARD und ZDF könnten teuer für Verbraucher werden
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Aktuell geht es ARD und ZDF nicht ums Geld der Internetnutzer. Nein, vielmehr wollen die beiden Medienanstalten den Internetnutzern sogar was Gutes tun, ihnen nämlich neue Inhalte bereitstellen. Auf den Portalen der Radio- und Fernsehsender sollen künftig nicht nur Audio- und Videostreams aktueller und vergangener Sendungen sowie sendungsbegleitende Informationen verfügbar sein, sondern ein für das Internet adäquates Vollprogramm.

Ohne den Ausbau ihrer Portale fürchten die Sender um ihre Hörer, Zuschauer und Nutzer. Der Trend weg vom Fernsehen hin zum Internet ist insbesondere bei Jugendlichen unübersehbar und wahrscheinlich auch unumkehrbar. Wenn ARD und ZDF nicht nur die ältere Hälfte der Bevölkerung erreichen wollen, dann müssen sie dahin gehen, wo die Jungen sind.

Das Problem: Einmal mit einem Vollprogramm im Internet angekommen, werden sich ARD und ZDF kaum mit geteilten Gebühren abfinden. Für "neuartige Empfangsgeräte", wozu insbesondere internetfähige Computer und Handys gehören, wird nämlich derzeit nur eine Gebühr wie für Radios berechnet. Diese beträgt aber nicht einmal ein Drittel der vollen Gebühr für Fernseher.

Internetnutzer sind also gut beraten, wenn sie den aktuellen Kampf vieler Portale und Verlage gegen die Onlinepläne von ARD und ZDF unterstützen. Klar handeln Zeitungs- und Zeitschriftenverlage auch aus Eigennutz, wenn sie verhindern wollen, dass ARD und ZDF ein immer umfangreicheres textbasiertes Angebot im Internet aufbauen. Doch je mehr Inhalte die öffentlich-rechtlichen Sender speziell für Internetnutzer produzieren, desto mehr Geld werden sie auch von den Internetnutzern kassieren wollen. Und dank der Gebührenlogik der öffentlich-rechtlichen werden auch diejenigen zahlen müssen, die die neuen Inhalte gar nicht wollen oder brauchen.

Vom Inhaltemangel zum Überfluss

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wurde aus der Not geboren: Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs waren die Ressourcen knapp. Gleichzeitig sollte verhindert werden, dass es wieder möglich wird, dass eine radikale Partei die Massenmedien für sich vereinnahmt. Die Lösung der Wahl waren damals vom Staat gesicherte und zugleich vom Staat relativ unabhängige öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten. Doch was damals richtig war, muss es heute, über 50 Jahre später, nicht mehr unbedingt sein.

So gibt es im Internet nicht einmal andeutungsweise die Gefahr der Gleichschaltung und Vereinnahmung. Im Fernsehen des Nachkriegsdeutschlands gab es einen erbitterten Kampf um das rare Gut der Sendezeit. So mancher kritische Beitrag - ob nun zu Recht oder zu Unrecht - fiel dem "Nein" der Intendanten zum Opfer. Und wenn ein Redakteur keinen Zugang zur teuren Technik (Kamerateams, Übertragungskanäle, Schnittplätze, etc.) bekam, dann konnte er noch nicht einmal einen Beitrag produzieren.

Hier hat durch den Preisverfall der Technik eine radikale Demokratisierung stattgefunden. Die Produktion von kritischen Audio- oder Filmbeiträgen ist nicht mehr nur einer kleinen Elite von Journalisten bei den großen Sendern möglich, sondern einer Millionenschar von Bürgern. Eine aktuelle Digitalkamera der Mittelklasse zeichnet bessere Bilder auf als eine Fernsehkamera der Nachkriegszeit. Selbst kostenlose Schnittsoftware für den PC bietet heute mehr Möglichkeiten als früher ein hochgerüsteter Schnittplatz.

Über das Internet können und werden solche privat produzierten Inhalte weltweit verteilt. Egal, ob man seine Botschaft als Text, Audio oder Video anzubieten hat: Zahlreiche Web-2.0-Portale reißen sich um die Gunst, diese zu publizieren. Wem die Einbettung in ein fremdes Portal stört, der kann für unter zehn Euro im Monat einen Shared Server oder V-Server mieten. Im Internet ist ein eigener Sender damit günstiger als künftig möglicherweise die Rundfunk-Gebühr für einen Empfänger. Radikaler könnte der Paradigmenwechsel kaum ausfallen!

Im Internet gibt es keinen Mangel an Inhalten und keinen Mangel an Meinungsvielfalt. Entscheidend für die Sichtbarkeit eines Inhalts ist nicht die Entscheidung des Sendeleiters, sondern die Verlinkung des Inhalts: Gibt es andere populäre Sites, die einen Beitrag empfehlen, erreicht dieser leicht höhere Abrufzahlen als die Reichweite so mancher Magazinsendung im Fernsehen. Dieser Prozess der Weiterempfehlung ist zudem zutiefst demokratisch. Und schon am nächsten Tag ist es wieder ein anderer Blog, Podcast oder Videoclip, der tausendfach weiterempfohlen wird, und somit ein anderer Autor, der mit seiner Ansicht zur nationalen oder gar weltweiten Meinungsbildung beiträgt. Diese Vielfalt können öffentlich-rechtliche Sender nicht bieten. Nicht einmal andeutungsweise.

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