Verspekuliert?

Editorial: Ein paar Milliarden für ein paar Prozent

Datendienste rechnen sich für Mobilfunker nach wie vor nicht
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Rechnen sich die Milliarden-Investitionen in das mobile Internet wirklich? Rechnen sich die Milliarden-Investitionen in das mobile Internet wirklich?
Harald Soehngen - Fotolia.com
Die Präsentation von Geschäftszahlen ist - egal welche Telefongesellschaft sie veröffentlicht - immer eine Sache für sich: Während das Management jeden Erfolg ausführlich präsentiert, werden Probleme und Misserfolge bestmöglich versteckt. So ist E-Plus verständlicherweise Stolz auf die jüngsten Geschäftszahlen: 4 % mehr Umsatz mit Mobilfunkdiensten im letzten Quartal 2010 sind im Vergleich zum Vorjahresquartal in einem gesättigten Markt ein schöner Erfolg. Zumal regulatorische und gesetzliche Vorgaben (gesenkte Roaming- und Terminierungs-Entgelte) auf die Einnahmen drücken.

Das EBITDA ist aber trotz des Umsatzwachstums im Quartalsvergleich um 2,7 % gesunken; die EBITDA-Marge sank um 2,5 Prozentpunkte. E-Plus führt "deutlich höhere Vermarktungsaktivitäten" und "Absenkung der Terminierungsentgelte" als Gründe an. Da E-Plus traditionell nur sehr wenige summarische Zahlen aus der Bilanz veröffentlicht, ist es für Außenstehende immer schwierig, diese Angaben im Detail zu prüfen. Bezüglich des betragsmäßigen Rückgangs des EBITDAs sind beide angeführten Gründe aber glaubwürdig, bezüglich des Rückgangs der EBITDA-Marge muss man aber noch einmal genauer hinblicken.

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Harald Soehngen - Fotolia.com
Wie bekannt, stehen die Terminierungsentgelte bei einem Mobilfunkunternehmen auf beiden Seiten der Gewinn- und Verlustrechnung: Der Mobilfunker verdient sie, wenn Telefonate aus anderen Netzen zu seinen Kunden geführt werden. Und er zahlt sie, wenn seine eigenen Kunden Teilnehmer in anderen Netzen anrufen. Wenn E-Plus ohne die europaweite Reduktion der Mobilfunk-Terminierungsentgelte beispielsweise 10 Millionen Euro mehr eingenommen hätte, zugleich aber auch 7 Millionen Euro mehr hätte zahlen müssen, dann ergibt sich die EBITDA-Marge des virtuellen Postens "nicht gesenkte Terminierungsentgelte" zu 30 %. Da E-Plus im letzten Quartal über alle Einnahmen und Ausgaben auf knapp 40 Prozent EBITDA-Marge kommt, hätten höhere Terminierungsentgelte - wenn die Zahlen aus dem Beispiel stimmen - die EBITDA-Marge gedrückt. Ob das tatsächlich der Fall ist, hängt natürlich davon ab, wie viel Anteil der Verkehr aus Netzen hat, insbesondere aus dem deutschen Festnetz, für die die Terminierungsentgelte letztes Jahr unverändert geblieben sind.

Datenanteil fast konstant - trotz riesiger Investitionen

Geradezu erschreckend ist eine andere Zahl aus dem Geschäftsbericht, die auf dem ersten Blick ebenfalls erstmal positiv aussieht: Der Datenumsatz - also der Umsatz aus SMS, MMS und mobilem Internetzugang usw. zusammen - ist im vierten Quartal im Vergleich zum Vorjahr von 30 Prozent auf 31 Prozent des Gesamtumsatzes gestiegen. Leider gibt es auch hier keine Angaben dazu, wie sich der Umsatz genau zusammensetzt; simple SMS-Dienste machen bei vielen Mobilfunkern und sicherlich auch bei E-Plus etwa der Hälfte des Datenumsatzes aus, "neue" breitbandige Datendienste wie mobiler Internetzugang via UMTS und HSPA die andere Hälfte.

Das Erschreckende ist, wenn man sich vor Augen führt, welche Milliarden-Investionen selbst bei einem kleinen Netzbetreiber wie E-Plus dem nur marginalen Wachstum der Umsätze mit breitbandigen Datendiensten gegenüberstehen: UMTS-Netzaufbau, HSPA-Netzausbau, LTE-Lizenzen und dergleichen mehr.

Bei der EBITDA-Marge wirken sich solche Investitionen nicht aus, denn die aus den Investitionen resultierenden Abschreibungen sind beim EBITDA - anders als die laufenden Kosten - noch nicht berücksichtigt. Erst beim Vorsteuergewinn (EBIT) sind auch die Abschreibungen abgezogen. EBIT-Zahlen veröffentlicht E-Plus jedoch traditionell nicht, so dass man nur mutmaßen kann, wie viel letztes Jahr bei E-Plus von den knapp 1,4 Milliarden Euro EBITDA nach Abzug von Zinsen, Steuern und Abschreibungen unterm Strich wirklich als Reingewinn verblieben ist.

Würde man eine getrennte Bilanz der breitbandigen Datendienste ohne SMS aufstellen, wäre diese aufgrund der hohen Investitionen und der daraus folgenden Abschreibungen selbst ohne Berücksichtigung der extrem teuren UMTS-Lizenzen rabenschwarz mit tiefroten Zahlen. Um so erstaunlicher, dass alle Netzbetreiber wie selbstverständlich in immer neue Datentechnologien investieren. Selbst E-Plus verspricht, in absehbarer Zeit zum besten Datennetz zu werden. Die anderen Netze werden natürlich gegenhalten.

Indirekter Nutzen!?

Dass der Daten-Gaul lahmt kommentierte ich bereits vor knapp vier Jahren. In der Zeit seitdem hat sich der rasanten Technik-Entwicklung - etwa Touchscreen-Smartphones und immer schnelleren Surfsticks - zum Trotz bei den Datenumsätzen vergleichsweise wenig bewegt.

Es gibt nur wenige mögliche Erklärungen für dieses offensichtliche Missverhältnis. Die eine ist ein geradezu unbegrenzter Optimismus, es allen bisherigen wirtschaftlichen Fehlschlägen zum Trotz doch noch hinzukriegen. Die andere ist eine stark indirekte Finanzierung. Sinngemäß: Nutzer, die viele hundert Euro für ein Smartphone ausgeben, statt sich für ein Zehntel des Preises ein einfaches Handy zu kaufen, telefonieren wahrscheinlich auch deutlich mehr und deutlich teurer (Roaming etc.) als der Durchschnittsverbraucher. Um die Smartphone-Nutzer zu locken, braucht man aber ein gut ausgebautes Datennetz. Die Daten-Milliarden wären dann lediglich Mittel zum Zweck, um Sprachkunden zu gewinnen und zu halten.

Dennnoch kann und muss die Frage erlaubt sein, ob direkte Investitionen in verbesserte Sprachdienste nicht viel nutzbringender wären. Breitband-Sprache, alias AMR-WB, alias HD voice, dümpelt seit bald einem Jahrzehnt von einem Testbetrieb zum nächsten. Dabei berichten alle Kunden, die diesen verbesserten Sprachdienst getestet haben, von deutlich verbesserter Sprachqualität und folglich einfacherem und entspannterem mobilen Telefonieren. Sollten sich damit nicht auch zusätzliche Umsätze generieren lassen, zumal Breitband-Sprache dank guter Kompression kaum mehr Netzkapazitäten belegt als herkömmliche Telefonie?

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