Kassiert

Editorial: "Zurück auf Start" im Kabelmarkt

Verbot der Fusion Unitymedia Kabel BW hat Auswirkungen auf den gesamten Tk-Markt
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Logo Unitymedia KabelBW Oberlandesgericht hat Zweifel an Kabel-Fusion
Bild: Unitymedia KabelBW
1999 begann die Deutsche Telekom aufgrund einer EU-Auflage, die sie zum Verkauf des TV-Kabelnetzes zwang, mit der Suche nach Investoren. Ziel der Auflage war, dass nicht zwei alternative Festnetz-Infrastrukturen (Breitbandkabel und herkömmliche Kupfer-Doppelader) in derselben Hand sein sollten. Jedoch mühte sich damals die Telekom, den Verkauf so zu gestalten, dass ihr aus dem Kabel nicht so schnell ein starker Konkurrent für das aufkeimende DSL-Geschäft erwachsen sollte. Die Auswirkungen des damaligen Handelns wirken bis heute nach.

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Bild: Unitymedia KabelBW
So wurde das Kabelnetz damals filetiert und über jedes Teilnetz einzeln mit potenziellen Investoren verhandelt. Oft genug schien es, dass es die Telekom gar nicht so sehr darauf anlegte, den höchsten Preis zu erzielen, sondern eher darauf, dass der Käufer möglichst finanzschwach und im Internet-Markt unerfahren ist. So würde es entsprechend lange dauern, bis die Investoren die jeweiligen Kabelregionen um den für Kabel-Internet nötigen Rückkanal erweitern und ein schlagkräftiges Internetzugang- und/oder Telefonie-Angebot auf die Beine stellen.

Als dann mit Liberty Media ein Investor auftauchte, der sogar zunächst ganz auf den Datenausbau verzichten und sich rein auf das Fernsehangebot über das Breitbandkabel konzentrieren wollte, war die Telekom plötzlich doch bereit, sechs von neun Kabelregionen gebündelt zu verkaufen. Doch damals stellte sich dann das Kartellamt quer und untersagte die Übernahme: Eine so hohe Dominanz im Kabel-TV-Markt sei nur dann akzeptabel, wenn der Käufer das Kabelnetz nutzt, um der Telekom im Telefonmarkt Konkurrenz zu machen. 2003 wurden dieselben sechs Regionen schließlich an eine Investorengruppe verkauft, die daraufhin Kabel Deutschland gründete und zügig mit den nötigen Investitionen ins Kabelnetz begann. Freilich hatte DSL dann schon viele Jahre Vorsprung.

Fusion der "Kleinen" untersagt

Aus den anderen drei verkauften Kabelregionen waren im wesentlichen die Unitymedia (Nordrhein-Westfalen und Hessen) sowie Kabel-BW (Baden-Württemberg) hervorgegangen, die 2011 zur Unitymedia Kabel-BW fusionierten. Doch nun der Paukenschlag: Die Unitymedia-Kabel-BW-Fusion steht wieder auf der Kippe, weil das Oberlandesgericht Düsseldorf die Auswirkungen auf den Markt für TV-Signale für zu gravierend hält. Das Bundeskartellamt müsse die damalige Entscheidung rückwirkend widerrufen oder mit härteren Auflagen versehen.

Beim Düsseldorfer Urteil ist formal die Revision ausgeschlossen. Die betroffenen Parteien, Unitymedia Kabel-BW und das Bundeskartellamt, werden aber mit Sicherheit über eine Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH versuchen, doch eine Revision zu erreichen. Selbst, wenn der BGH dieses Ansinnen ablehnt, werden noch etliche Monate vergehen, bis Unitymedia und Kabel BW tatsächlich mit der Entflechtung beginnen müssen. Schließlich muss das Kartellamt noch einen neuen Beschluss ausstellen. Und selbst, wenn darin der sofortige Vollzug angeordnet wird, wird zumindest ein Eilverfahren gegen den Beschluss aufschiebende Wirkung haben.

Der schlimmste Fall für Kabel BW Unitymedia wäre freilich, dass der BGH zunächst die Nichtzulassungsbeschwerde annimmt, am Ende aber doch die Entscheidung des OLG Düsseldorf bestätigt. Dann müsste in ein oder zwei Jahren damit begonnen werden, zwei Unternehmen, die schon seit mehreren Jahren Schritt für Schritt zusammengewachsen sind, doch wieder auseinander zu puzzeln. Betriebswirtschaftlich wäre es ein Alptraum, nach so langer Zeit wieder zurück an den Start geschickt zu werden. Hauptnutznießerin hiervon wäre die Deutsche Telekom, die die Düsseldorfer Entscheidung maßgeblich mit herbeigeführt hat.

Was ist mit den weiteren Fusionen?

Das Urteil wird zudem mit hoher Wahrscheinlichkeit Auswirkungen auf die anderen beiden großen derzeit geplanten Fusionen haben: Vodafone möchte Kabel Deutschland schlucken, und Telefónica o2 will mit E-Plus fusionieren. So hätte die Vodafone-Kabel-D-Fusion ebenfalls Auswirkungen auf den Signalmarkt. Zwar hat Vodafones IP-TV-Angebot derzeit geschätzt nur 150 000 Kunden, doch müsste man, wenn man die Fusion von Kabel BW und Unitymedia verbietet, die in Summe immer noch kleiner sind als Kabel Deutschland, konsequenterweise Kabel Deutschland jedes Wachstum durch Übernahmen verbieten.

Selbst die Mobilfunk-Hochzeit zwischen o2 und E-Plus könnte von dem Urteil betroffen sein. Zwar spielt hier der Signalmarkt keine Rolle. Doch würde sich das Kartellamt in dem Fall, dass es Vodafone-KD verbietet und o2-E-Plus erlaubt, mit Sicherheit in einer Klage von Vodafone mit sehr detaillierten Fragen auseinandersetzen müssen, warum es ersteres verbietet, obwohl der Anteil von Kabel Deutschland am Signalmarkt kleiner ist als der Anteil der fusionierten "E"-Netz-Betreiber am Mobilfunkmarkt.

Klar muss auch eine Ablehnung aller Fusionen auf jeden Fall gut begründet werden, um gerichtsfest zu sein. Freilich gibt es im aktuellen Tk-Markt bereits genügend Anzeichen, dass sich bereits ein für die Kunden schädliches Oligopol gebildet hat: Aktuell steigen beispielsweise die Kosten für Festnetz-Telefonanschlüsse sogar wieder. Zudem geben die wenigsten Festnetz-Anbieter die Ersparnisse durch die in den letzten drastisch gesunkenen der Interconnect-Entgelte für Telefonate zum Handy nicht an die Kunden weiter. Im Handy-Bereich sinken zwar die Roaming-Entgelte inzwischen deutlich - aber nicht etwa, weil die Mobilfunker den Wettbewerb für sich entdeckt haben, sondern aufgrund massiver Markteingriffe der EU. Diesen Signalen zu folgen, und die Fusionen zu untersagen, ist argumentativ wahrscheinlich einfacher, als zu versuchen, sie wegzudiskutieren.

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