Urteil

LG Kiel: Zusatzgebühren bei Mobilcom-Debitel nicht zulässig

Wenn die Kunden Ände­rungen an ihren Adressen oder Bank­ver­bin­dungen bei Mobilcom Debitel per Fax, Telefon oder Brief mitteilen wollten, kostete das Geld. Nein, sagten die Gerichte.
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Zusatzgebühren für Adress- oder Bankkonto-Änderungen sind unzulässig. Zusatzgebühren für Adress- oder Bankkonto-Änderungen sind unzulässig.
Foto: Image licensed by Ingram Image, Logo: Mobilcom-Debitel, Montage: teltarif.de
Um das Unter­nehmen Mobilcom-Debitel war es in letzter Zeit recht ruhig geworden. Die Kunden offen­sicht­lich größ­ten­teils zufrieden mit den güns­tigen Ange­boten und dem guten Service in den Läden und an der Hotline. Doch das war nicht immer so. Es gab Zeiten, in denen verschie­dene Marken im Unter­nehmen durch "krea­tive Tarif­gestal­tung" auffielen.

Es war einmal das Karten­pfand

Zusatzgebühren für Adress- oder Bankkonto-Änderungen sind unzulässig. Zusatzgebühren für Adress- oder Bankkonto-Änderungen sind unzulässig.
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Geschichte ist die SIM-Karten-Pfand­gebühr der nicht mehr aktiv genutzten Marke Talkline (heute Teil von Mobilcom-debitel/Freenet). Dabei wurde vom Kunden Geld gefor­dert, wenn dieser seine SIM-karte nicht ordnungs­gemäß zurück­geschickt hatte. Gerichte mussten dieser Idee Einhalt gebieten.

Bitte kein Fax, Brief oder Anruf

Eine andere Idee bei Mobilcom-Debitel: Der Kunde soll bitte schön Online-Tools im Internet verwenden, damit die neuen Kunden­daten direkt im System landen und nicht von teuer bezahlten Kräften aus hand­schrift­lichen Briefen heraus­gelesen und mühsam einge­tippt werden müssen. Wer es dennoch tat, durfte dafür eine Extra-Gebühr bezahlen. So geht das nicht, fand der Verbrau­cher­zen­trale Bundes­ver­band und klagte vor Gericht. Solche Entgelte sind unzu­lässig, entschied das OLG Schleswig-Holstein nach Klage des vzbv.

Gewinn muss abge­führt werden

Das Land­gericht Kiel urteilte: Das Unter­nehmen muss den zu Unrecht erzielten Gewinn ohne Abzug allge­meiner Betriebs­kosten an den Bundes­haus­halt abführen. Konkret hat das Gericht die mobilcom-debitel GmbH dazu verur­teilt, rechts­widrig erzielte Gewinne in Höhe von 72.728 Euro zuzüg­lich Zinsen an den Bundes­haus­halt abzu­führen.

Diese Gewinne hatte - so das Gericht - das Unter­nehmen durch unzu­läs­sige Entgelte von Mobil­funk-Kunden erzielt, die Ände­rungen ihrer Anschrift oder Konto­ver­bin­dung per Brief statt online mitteilten. Gegen diese Gebühren hatte der Verbrau­cher­zen­trale Bundes­ver­band (vzbv) bereits in einem Vorver­fahren erfolg­reich geklagt.

Nicht von rechts­wid­rigen Entgelten profi­tieren

„Ein Unter­nehmen darf nicht von rechts­wid­rigen Entgelten profi­tieren“, stellt Jana Brock­feld, Rechts­refe­rentin beim vzbv fest. „Es ist richtig, dass die vorsätz­lich auf unlau­tere Weise erzielten Gewinne abge­schöpft werden und der Öffent­lich­keit zugu­tekommen.“

Unzu­läs­sige Entgelte für Adress- und Konto­ände­rung

Mobilcom-debitel hatte seine Mobil­funk-Kunden dazu verpflichtet, Ände­rungen ihrer Adresse und ihrer Konto­ver­bin­dung mitzu­teilen. Die Mittei­lung war aber nur online kosten­frei möglich. Wer das Unter­nehmen per Brief, Telefon oder Fax infor­mierte, musste für eine Adress­ände­rung 0,99 Euro und für eine Ände­rung der Konto­ver­bin­dung 2,95 Euro zahlen. Das Ober­lan­des­gericht Schleswig-Holstein hatte diese Gebühren bereits im Dezember 2019 für unzu­lässig erklärt und damit ein Urteil des Land­gerichts Kiel bestä­tigt.

Im Inter­esse des Unter­neh­mens

Die Bear­bei­tung von Adress- und Konten­ände­rungen sei keine Sonder­leis­tung für die Kundinnen und Kunden, sondern liege im eigenen Inter­esse des Unter­neh­mens. Dazu sei es zudem vertrag­lich und im Falle von Adress­ände­rungen sogar gesetz­lich verpflichtet.

Unzu­läs­sige Gebühren vorsätz­lich weiter kassiert

Die Richter schlossen sich der Auffas­sung des vzbv an, dass mobilcom-debitel vorsätz­lich gegen geltendes Recht verstoßen hat. Aufgrund der Rechts­lage hätte sich dem Unter­nehmen spätes­tens nach der Abmah­nung durch den vzbv der Eindruck gera­dezu aufdrängen müssen, dass die Gebühren unzu­lässig sind.

Das Gericht erkannte den Anspruch des vzbv an, die seit Oktober 2017 mit den Gebühren erzielten Gewinne zugunsten des Bundes­haus­halts abzu­schöpfen und verur­teilte das Unter­nehmen zur Offen­legung der Erträge.

Eine Revi­sion ließ das Ober­lan­des­gericht nicht zu. Das Urteil ist rechts­kräftig, da der Bundes­gerichtshof die Nicht­zulas­sungs­beschwerde des Unter­neh­mens abge­wiesen hat.

Gewinn darf nicht klein gerechnet werden

Vor dem Land­gericht Kiel ging es in der zweiten Stufe des Gewinn­abschöp­fung­ver­fah­rens nur noch um die Höhe des Betrags, den Mobilcom-Debitel zahlen muss. Das Unter­nehmen hatte durch die unzu­läs­sigen Gebühren 72.728 Euro einge­nommen – nach eigener Rech­nung aber keinen Gewinn gemacht. Den Einnahmen stünden mehr als 200.000 Euro Kosten für einen externen Dienst­leister gegen­über, an den alle nicht voll­auto­mati­sierten Kontakte über­tragen worden seien. Zudem seien Druck- und Porto­kosten entstanden, weil Bestä­tigungs­schreiben an Kunden versandt wurden, die per Brief über ihre Adress- oder Konto­ände­rung infor­miert hatten.

Das Land­gericht Kiel stellte klar: Solche allge­meinen Betriebs­kosten dürfen nicht von den abschöpf­baren Gewinnen abge­zogen werden. Das Unter­nehmen sei verpflichtet, Konto- und Adress­ände­rungen entge­gen­zunehmen und zu bear­beiten und tue dies aus eigenem Inter­esse. Der Aufwand dafür wäre auch ohne die Einnahmen aus den Gebühren entstanden. Das Gericht verur­teilte Mobilcom-Debitel dazu, die vollen Einnahmen von 72.728 Euro zuzüg­lich Zinsen an den Bundes­haus­halt abzu­führen.

Kleiner Haken an der Geschichte: Das Urteil ist noch nicht rechts­kräftig. Mobilcom hat gegen das Urteil Beru­fung beim Schleswig-Holstei­nisches Ober­lan­des­gericht einge­legt (Az. 2 U 32/21).

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Mobil­funk­anbieter möchten güns­tige Tarife bieten und dafür die eigenen Kosten senken, in dem sie den Kunden dazu ermun­tern, seine eigenen Daten möglichst selbst und online zu verwalten. Mobilcom-Debitel hat nun für bestimmte Zusatz­dienst­leis­tungen extra Kosten verlangt. Das Gericht sagt, so geht das nicht. Also muss der Anbieter diese Kosten künftig auf alle Kunden umlegen, auch auf die, die froh sind, wenn sie ihre Kunden­belange selbst online regeln können und keine Briefe schreiben brau­chen.

Wenn ein Mobil­funk­ver­trag 100 Euro im Monat kostet, sind solche Tätig­keiten inklu­sive jeder­zeit machbar. Wenn es aber um "Spar-Wahn-Verträge" für 2,99 Euro im Monat geht, ist jede Sonder­behand­lung ein empfind­licher Kosten­faktor.

Ein verlo­rener Prozess und die nun nega­tive Presse sind ein weiterer Kosten­faktor. Das kostet jetzt noch viel mehr, als die paar Mehr-Euro für Kunden, die ihre Daten auf altbe­währte Art pflegen lassen wollten.

Bei der Telekom gibt's Smart­phones ab einem Euro, wenn man einen Mobil­funklauf­zeit­ver­trag mit mindes­tens 24 Monaten Dauer abschließt.

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