Zukunft

Europa: Von den Besten zu den Letzten?

Timotheus Höttges hinterfragt die Ursachen von Europas Niedergang
Aus Berlin berichtet

Er war der heimliche Star der Paneldiskussion im Rahmen der Feierlichkeiten zu 15 Jahren VATM am Mittwoch Abend in Berlin: Timotheus Höttges, designierter CEO der Deutschen Telekom.

Vor 15 Jahren war durch den heutigen scheidenden Telekom CEO René Obermann der VAM (Verband der An­bieter von Mobil­funk­dienst­leistungen) gegründet worden, der sich später in VATM (Verband der Anbieter von Tele­kommunikations- und Mehr­wert­dienst­leistungen) umbenannte und die TK-Regulierung von Anfang an kritisch begleitete, mit einem gemeinsamen "Gegner", der Deutschen Telekom. Zum 10jährigen Jubiläum hatte René Obermann vor dem VATM eine mit Beifall bedachte Rede gehalten. Teilnehmer sollen, so wird berichtet, damals die Frage "Warum ist dieser gute Mann nicht mehr bei uns?" geseufzt haben.

Zum 15jährigen Jubiläum hat sich das schwierige Verhältnis zur Deutschen Telekom deutlich entspannt. Ehrengast Timotheus Höttges traut sich gerne "in die Höhle des Löwen". Er betonte noch einmal ausdrücklich, dass sein Unternehmen nicht in der Lage sei, den bundesweiten Ausbau mit breitbandigem Internet in Deutschland alleine zu stemmen und daher auf die Zusammenarbeit mit den im VATM zusammengeschlossenen Unternehmen angewiesen sei. Er lobte ausdrücklich die Bundesnetzagentur als "besten Regulierer" in Europa. Derzeit bewege ihn die Frage, wie Deutschland und Europa wettbewerbsfähig bleiben könne. Für ihn war es "richtig, die Telekom hart zu regulieren, es muss eine Zugangsregulierung geben, wo es nur eine Infrastruktur gibt", aber: "Wir sind nicht so gut, wie das Herr Dr. Schwarz-Schilling das glauben machen will." Das sagte er mit Blick auf den ehemaligen Post-Minister und Vater der TK-Reform, der wie bereits gestern berichtet, in einer langen Keynote seine Einschätzungen zur aktuellen Regulierungssituation abgegeben hatte.

Angst vor den Amerikanern?

VATM Panel v.li. Dr. Neumann, Dr. Grussmann, Tim Höttges, Prof. Gerpott, J. Homann, Peer Knauer, n.i.B.: Martin Witt
Foto: Heinz Ossendorf
Zur Spitzentagung der europäischen Netzbetreiber Organisation ETNO war extra der Chef des derzeit weltweit größten amerikanischen Telekommunikationsanbieters AT&T, Randall Stephenson eingeflogen, um den Europäern seine Strategie zu erläutern. Ihm wird nachgesagt, dass er den Vodafone-Konzern komplett übernehmen könnte. Europa sei vom "First" (dem Ersten) zum "Worst" (dem Schlechtesten) geworden. "Wie ist das passiert?", fragte Höttges. Er sieht die Verbände VATM oder BITKOM, die verschiedenen "Großprovider" auf einer Linie. "Am Ende des Tages ist entscheidend, wie wir das alles weiter entwickeln. Was läuft hier schief?"

In Europa wurde GSM und UMTS erfunden, "heute investieren wir weniger in LTE, als in USA. Asien gibt 180 US-Dollar pro Kopf für Breitbandausbau aus, in Europa sind es nur 130 Euro pro Kopf. "Europa ist in sämtlichen IKT Industrien (IKT = Informations- und Kommunikationstechnik) nicht mehr unter den ersten 10 Spielern der Welt. Ob Chip-Industrie, Router-, oder Softwareproduzenten: Sie sind heute alle in den USA - in Europa ist niemand mehr!" Die Größe sei für Unternehmen relevant, "Magenta" sei - global gesehen - relativ irrelevant. AT&T hab eine ganz andere Marktmacht. Die Telekommunikationsbranche sei eine Industrie, wo sehr viel investiert werden müsse, man müsse Kraft haben, um "Capex to Sales" zu erreichen, die europäische Industrie sei um 10 Prozent geschrumpft. "Sind unsere Ingenieure sind dümmer? Haben wir ein kollektives Versagen der Manager? Oder haben wir ein systematisches Problem?" Höttges werde es unheimlich, wenn weltweite Konzerne in Europa auf immer größere Einkaufstour gehen, "was wird aus unseren Firmen und Mitarbeitern?"

Unter der Leitung Prof. Torsten J. Gerpott von der Universität Dortmund diskutierten Vertreter der EU-Kommission, Forscher und Unternehmensvertreter über die Forderung der Telekom nach weniger Regulierung Dr. Schwarz-Schilling hatte die provokante Frage gestellt, warum "ihr Idioten soviel Geld" für Lizenzen geboten hatten. Höttges widersprach: In Deutschland könne Frequenz-Spektrum nur gemietet, aber nicht damit wie in den USA gehandelt werden. Viele Staaten versuchten, ihre Haushalte mit Lizenzen zu sanieren. Er plädierte dafür, neue Lizenzen mit einer Ausbauverpflichtung zu koppeln. "Fünf US-Unternehmen haben schon die Börsenkapitalisierung aller deutschen DAX Konzerne, in Europa ist alles überreguliert."

Auf der folgenden Seite lesen Sie, was alles reguliert ist und nicht reguliert sein sollte und was die Gesprächpartner von Herrn Höttges von seinen Vorstellungen halten.

Mehr zum Thema Regulierung