Entteuert

Editorial: Strafgebühren verboten

Verbraucherfreundliche Urteile leider nur für Nebenleistungen
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Editorial: Strafgebühren verboten Editorial: Strafgebühren verboten
(c) Rafa Irusta - Fotolia.com
In puncto Gebühren waren die Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen schon immer erfinderisch. Vor allem dann, wenn der Kunde sich nicht so verhält, wie die Anbieter das gerne hätten, wird die Hand aufgehalten. Auszahlung des Restguthaben einer Prepaid-Karte? Klar, gerne, für 6 Euro! Mahnung? Macht 9,95 Euro! Rücklastschrift, weil das Konto nicht genug Deckung hatte? Kostet 15 oder gar 19,95 Euro!

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Alle diese Regelungen wurden letzte Woche durch zwei Urteile der Oberlandesgerichte Schleswig und Brandenburg kassiert. Die Auszahlgebühr wurde dabei komplett für unzulässig erklärt, die Mahn- und Rücklastschriftgebühr als zwar grundsätzlich zulässig, aber überhöht eingestuft. Die betroffenen Anbieter müssen ihre AGB ändern und die entsprechenden Gebühren entweder ganz streichen oder auf ein angemessenes Maß reduzieren.

Während diese gerichtliche Missbrauchsaufsicht bei den Nebenleistungen ganz gut funktioniert, versagt sie weitgehend bei den Hauptleistungen. Zwar gab es in der Vergangenheit wiederholt Urteile, denen zufolge Schockrechnungen für mobile Datendienste nicht bezahlt werden mussten ([1], [2]). Doch wurden in diesen Urteilen dem Anbieter jeweils die Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten vorgeworfen. Die Entgelte selber wurden hingegen nicht korrigiert.

Während bei den Nebenleistungen oft schon eine Überhöhung um den Faktor 2 bis 3 zu gerichtlichen Korrekturen führt (7,50 Euro Rücklastschriftgebühr oder 3,50 Euro Mahngebühr wären beispielsweise wahrscheinlich unbeanstandet geblieben), geht bei den Entgelten selber sogar ein Faktor 20 bis 30 oft genug unbeanstandet durch. Als Beispiele seien die Call-by-Call-Tarife für Auslandstelefonate genannt, wo die günstigsten Angebote teils unter einem Cent pro Minute liegen, die teuersten teils über einem Euro pro Minute. Mobile Datendienste kosten zwischen 0,4 Cent pro MB (5-Gigabyte-"Flatrate" für 20 Euro monatlich) und 1 900 Cent pro MB (GPRS-Tarif ohne Datenpaket bei vielen Altverträgen).

Statt den Gerichten wurden am Schluss die Parlamente aktiv, um so manchen Preisexzess zu beenden. Am bekanntesten ist die Festsetzung der Roamingpreise durch das EU-Parlament. Aber auch der deutsche Gesetzgeber war bereits aktiv, insbesondere bezüglich der Entgelte für mobile Telefonate zu 0180-Nummern. Dabei könnten sich die Parlamente viel Arbeit sparen, indem sie nicht Einzelpreise festsetzen, sondern den Gerichten eine wirkungsvolle Aufsicht nicht nur über die Preise für Nebenleistungen, sondern auch und gerade über die Preise für die Hauptleistung selber ermöglichen.

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