Ausstieg

Swisscom verkauft Roaming-Plattform

Die Schweizer Swisscom galt im Mobil­funk lange als "Queen of Roaming". Diese Verbin­dungen laufen über Belgacom Inter­national Carrier (BICS). Ihren Anteil hat Swisscom an Belgacom-Nach­folger Proximus verkauft.
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Die Schweizer Swisscom gibt ihre Beteiligung an der Belgacom International Carrier (BICS) an die Mutter Proximus ab. Die Schweizer Swisscom gibt ihre Beteiligung an der Belgacom International Carrier (BICS) an die Mutter Proximus ab.
Foto: Picture Alliance / dpa
Die Schweizer Swisscom, hervor­gegangen aus der früher voll staat­lichen PTT (= Post Telecom Tele­graph), ist einer der ältesten digi­talen Mobil­funk-Netz­betreiber der Welt. Bereits zum ITU-Kongress 1991 in Genf wurde ein GSM-Mobil­funk­netz mit Roaming zu den benach­barten Fran­zosen (France Telecom "Itineris", heute Orange) vorge­stellt.

Früh kümmerte sich Swisscom um inter­natio­nale Roaming-Abkommen mit allen GSM-Netzen der Welt ("Queen of Roaming") und entwi­ckelte auf Basis der "SICAP"-Platt­form die erste Prepaid-Karte, bei der das Prepaid-Guthaben damals wirk­lich auf der Karte gespei­chert war, ähnlich zu den Tele­fon­karten für Tele­fon­zellen. Natel-Easy-Roam war die erste welt­weit nutz­bare Roaming-SIM-Karte auf Prepaid-Basis.

Inter­natio­nale Zusam­men­arbeit mit Belgacom

Die Schweizer Swisscom gibt ihre Beteiligung an der Belgacom International Carrier (BICS) an die Mutter Proximus ab. Die Schweizer Swisscom gibt ihre Beteiligung an der Belgacom International Carrier (BICS) an die Mutter Proximus ab.
Foto: Picture Alliance / dpa
Inter­national arbeitet die Swisscom seit vielen Jahren mit dem ehema­ligen belgi­schen, staat­lichen Netz­anbieter "Belgacom" zusammen, die heute unter dem Namen "Proximus" ein eigenes Mobil­funk­netz und Teile des belgi­schen Fest­netzes betreiben und Inter­net­dienste anbieten. Über die Vermitt­lungs­rechner von BICS (= Belgacom Inter­national Carrier Services) wird zum Beispiel das Roaming der Swisscom "Natel"-Mobil­funk-SIM-Karten abge­wickelt.

Swisscom verkauft Betei­ligung an BICS

Heute gab Swisscom bekannt, seinen Anteil von 22,4 Prozent an der BICS an deren Mutter und Haupt­aktio­närin Proximus zu verkaufen. Die Verträge wurden unter­zeichnet, der Kauf­preis beträgt rund 110 Millionen Euro.

Gleich­zeitig hat auch der zweite Minder­heits­aktionär MTN (Südafrika) seine Betei­ligung von 20 Prozent an der BICS an Proximus für rund 100 Millionen Euro (1,8 Milli­arden Rand) verkauft. Proximus gehören damit künftig 100 Prozent der BICS-Aktien.

Der genaue Voll­zugs­zeit­punkt des Deals hängt noch von den übli­chen behörd­lichen Geneh­migungen ab.

Rich­tiger Zeit­punkt

Swisscom fand den Zeit­punkt für einen Verkauf "als richtig", da man grund­sätz­lich nur noch in Geschäfte inves­tieren wolle, die für die Swisscom "stra­tegisch rele­vant" seien. Ein Trost bleibt: Die kommer­ziellen Verträge zwischen Swisscom und BICS bleiben weiter bestehen. Das bedeutet: Swisscom wird auch in Zukunft einen Groß­teil ihres inter­natio­nalen Tele­fon­minu­ten­geschäfts "im Rahmen eines Liefe­ran­ten­ver­hält­nisses mit BICS" abwi­ckeln.

Finan­zieller Ausblick bleibt unver­ändert

Die 100 Millionen Euro fallen im wirt­schaft­lichen Gesamt­ergebnis nicht weiter ins Gewicht, der "finan­zielle Ausblick von Swisscom für 2021 bleibt unver­ändert", teilte das Unter­nehmen in Worblaufen bei Bern (Schweiz) heute dazu mit.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Früher war es wichtig, möglichst die komplette Infra­struktur und ihre Liefe­ranten unter eigener Kontrolle zu haben. Netze mussten und sollten maximal zuver­lässig und stabil sein, die Kosten waren eher sekundär. Heute wird vor jedem Hand­griff nach den Kosten geschaut und was nicht "rentiert", wird verkauft.

Die Schweizer Swisscom steckt in einem Dilemma: Sie wird vom Schweizer Staat kontrol­liert, es soll im Lande aber auch Wett­bewerb geben. Also darf - so paradox es anmutet - die Swisscom nicht zu erfolg­reich sein. Und es gab vor Jahren eine (poli­tische) Grund­satz­ent­schei­dung, dass die Swisscom ihre Auslands­akti­vitäten redu­zieren oder besser einstellen müsse, weil die Swisscom ihr Geld lieber im eigenen Lande verdienen sollte.

Wer erin­nert sich noch, dass der Stutt­garter Mobil­funk-Service-Provider Debitel einst der Swisscom gehörte? Das führte damals auch dazu, dass der Vize-Chef von Debitel, Carsten Schloter, 2006 zum Vorstand der Swisscom aufstieg und den dort bis dahin eher "gemüt­lichen Beam­ten­apparat" völlig umkrem­pelte, indem er verord­nete, dass auf einmal alle Mitar­beiter unter­ein­ander "per Du" sein sollten und jeder­zeit direkten Zugang zu ihrem Chef hatten. Wer die Schweiz kennt, kann sich in etwa vorstellen, welche Kultur­revo­lution damit seiner­zeit ausge­löst wurde.

Die Neigung, nicht rentabel erschei­nende Töchter oder Netz­ele­mente zu verkaufen, ist kein Schweizer Phänomen. Netz­betreiber verkaufen ihre Sende­masten, um sie anschlie­ßend teuer zurück zu mieten, die Telekom ist aus Alba­nien ausge­stiegen und stellt weitere Landes­gesell­schaften zur Dispo­sition.

Erst kürz­lich hatte Swisscom ihr Jahres­ergebnis 2020 vorge­stellt.

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