Gastbeitrag

Bewertung: Tim Höttges zu Marktkritik und Überregulierung

Telekom-Chef Tim Höttges hatte die Struk­turen im deut­schen Tele­kom­muni­kations-Markt und die angeb­liche Über­regu­lie­rung kriti­siert. Andreas Walter vom Bera­tungs­institut Dialog Consult bewertet in einem Gast­bei­trag die Aussagen.
Ein Gastbeitrag von Andreas Walter

Bewertung der Aussagen von Tim Höttges Bewertung der Aussagen von Tim Höttges
picture alliance/dpa
Telekom-Chef Tim Höttges kriti­siert die Struk­turen im deut­schen Tele­kom­muni­kations-Markt und die angeb­liche Über­regu­lie­rung. Er "droht" mit der Verla­gerung von Inves­titionen in lukra­tivere natio­nale Märkte, insbe­son­dere in die USA. Das ist zunächst verständ­lich, da die Telekom in den USA mit T-Mobile US (TMUS) Markt­führer werden und bleiben möchte. Die Renditen sind hier enorm viel größer als in Europa, insbe­son­dere wenn es um das leidige Thema eines zu geringen Glas­faser­invest­ments in Deutsch­land geht. Und die Telekom inves­tiert ohnehin bereits viel mehr in den USA als in Deutsch­land. Was also bewegt Höttges zum jetzigen Zeit­punkt die Gemüter der Poli­tiker mit vagen, aber genug deut­lichen Drohungen?

Bewertung der Aussagen von Tim Höttges Bewertung der Aussagen von Tim Höttges
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Im deut­schen Mobil­funk­markt ist die Telekom bereits umsatz­bezo­gener Markt­führer. Die Regu­lie­rung im Mobil­funk­markt kommt vornehm­lich von der EU und betrifft alle Mobil­funk­netz­betreiber. Und ja, manche dieser Rege­lungen, wie z.B. das EU-Roaming, entspringen dem Verbrau­cher­schutz und belasten die Rendite der Unter­nehmen. Dies und anderes an Regu­lie­rung zu kriti­sieren, mag durchaus rendi­tege­trie­benen Unter­nehmen imma­nent sein, wird sich aber sicher nicht ändern lassen. Der eigent­liche Wink mit dem Zaun­pfahl an die Politik ist sicher­lich die Sorge vor erwei­terten Zugangs­rechten Dritter auf die Netze der Netz­betreiber. Geschenkt - denn die Diskus­sion ist nicht neu und die Karten der Forderer und Verwei­gerer liegen längst mit allen Drohungen auf dem Tisch.

Andere Situa­tion im Fest­netz­markt

Im Fest­netz­markt ist die Situa­tion eine andere: Die Telekom ist auch 25 Jahre nach der voll­stän­digen Markt­libe­rali­sie­rung das einzige Unter­nehmen mit wirk­lich flächen­deckenden TK-Netz­struk­turen, an denen keine andere Telco vorbei­kommt. Fast jedes Wett­bewerbs­unter­nehmen ist bis heute Kunde bei der Telekom und bezieht Infra­struktur- oder Trans­port­leis­tungen. Genau hier erwirt­schaftet die Telekom aber bis heute Mega­ren­diten und ist das einzige Unter­nehmen, das auch beim Glas­faser­ausbau dank dieser hohen Marge beim alten Kupfer­netz - nämlich Vecto­ring Anschlüssen - auf hohe Auslas­tungs­zahlen auf den neuen Netzen verzichten kann. Jahre­lang hat sie sogar auf den gesamten Ausbau mehr oder weniger ganz verzichtet und es vorge­zogen, güns­tiger und inves­titi­ons­scho­nender nur die Kabel­ver­zweiger mit Vecto­ring-Tech­nologie nach­zurüsten, um so Kapital für die Inves­titionen in den USA einzu­sparen. Doch die hoch gesteckten - absolut Politik- und Wett­bewerbs­getrie­benen - Ziele von Anfang 2023, in denen noch 8 Mio. FTTB/H-Anschlüsse bis Ende 2023 verspro­chen wurden (+2,8 Mio.), wurden nicht erreicht - nur 1 Mio. Anschlüsse wurden im ersten Halb­jahr gebaut, sodass bis Ende 2023 wohl nur zwei Drittel der geplanten Anschlüsse neu gebaut werden.

Andreas Walter Andreas Walter
Bild: Dialog Consult GmbH
Sonder­lich ernst meint es die Telekom bis heute nicht, denn nur so lässt sich erklären, dass sie diese so schlecht verkauft. Von den 6,2 Mio. FTTH-Anschlüssen, die die Telekom bis Mitte 2023 gebaut hatte (Homes passed), wurden nur 833.000 gebucht - das ergibt eine Take-up-Rate von gerade mal 13,4 Prozent. Die TK-Wett­bewerber müssen sich deut­lich mehr Mühe geben und verdienen mit über einem Drittel (33,7 Prozent) ihrer FTTB/H-Anschlüsse Geld. Wenn es aber nicht an den Milli­arden Über­ren­diten im tradi­tio­nellen DSL-Markt liegt, die Telekom schlechter als jedes kleine Stadt­werk vermarktet, und der Glas­faser­ausbau in Deutsch­land lästig ist und deut­lich weniger Marge abwirft als das USA-Geschäft, dann wird die Stoß­rich­tung der Attacke schon etwas deut­licher. Die Telekom wird weniger bauen als verspro­chen. Und sie will vom eigent­lichen Problem ablenken - dem stei­genden Risiko ihrer hohen Inves­titionen in den USA. Wenn dann auch noch mit stra­tegi­schem Überbau andere Inves­toren aus dem Land gedrängt werden, sollten bei der Politik die Alarm­zei­chen angehen.

Zur Person

Andreas Walter ist geschäfts­füh­render Gesell­schafter des Bera­tungs­insti­tuts Dialog Consult GmbH. Er besitzt über 25jährige Erfah­rung mit Markt­ana­lysen in Tele­kom­muni­kations- und Medi­enmärkten. Außerdem hat er Lehr­auf­träge an der Hamburg Media School und der Hoch­schule Rhein-Main.

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