Kritik an Entwurf für Verfassungsschutzgesetz
Hessen will seinen Verfassungsschutz deutlich stärken
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Vor einer Anhörung im Innenausschuss des hessischen Landtages zum geplanten neuen Verfassungsschutzgesetz haben Experten Bedenken zu einigen Punkten angemeldet. Es geht unter anderem um den Einsatz sogenannter Trojaner, also von Software, die sich heimlich auf Computern oder Handys von Verdächtigen einnistet und Daten weitergibt. Kritik entzündet sich auch an der vorgesehenen Regelung der parlamentarischen Kontrolle des Verfassungsschutzes und dem Einsatz von V-Leuten. Von anderer Seite kommt indes explizit Rückenwind für den Gesetzentwurf.
Grundsätzlich will die schwarz-grüne Landesregierung den Verfassungsschutz mit dem Gesetzentwurf schlagkräftiger machen; etwa bei der Online-Überwachung, um so mögliche Terroranschläge sowie Attacken von Rechts- und Linksextremisten verhindern zu können. Künftig sollen neben SMS auch verschlüsselte Messenger-Kommunikation aufgezeichnet und Computer verdeckt überwacht werden können. Gleichzeitig hat die Regierung immer wieder betont, seine Bürger nicht unter Generalverdacht stellen zu wollen. Auch soll die parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes gestärkt werden - und zwar in einem eigenen Gesetz; dem sogenannten Verfassungsschutzkontrollgesetz.
Bedenken gegen verfassungsrechtliche Grundlage
Hessen will seinen Verfassungsschutz deutlich stärken
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Rolf Gössner, Anwalt und Vorstandsmitglied der Internationalen Liga für Menschenrechte, etwa schreibt in einer Stellungnahme von einer Erweiterung des Katalogs zulässiger geheimer Möglichkeiten zur Überwachung auf "umstrittene technologisch-digitale Mittel und Methoden" bis hin zur Einschleusung von Staatstrojanern über Sicherheitslecks. Dies sei in weiten Teilen aus verfassungsrechtlichen Gründen kritisch zu bewerten.
Die Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte Hessen bezeichnet in ihrer Stellungnahme eine Online-Durchsuchung mit einem "Staatstrojaner" als einen "umfassenden, gravierenden Eingriff in Freiheitsrechte und in das informationelle Selbstbestimmungsrecht". Der gesamte Computer könne durchsucht werden - also seien auch private Informationen sichtbar.
"Die Datenschützer Rhein Main" befürchten, die Installation von Trojanern könne Geräte auch für weitere Angriffe anfällig machen. Das gefährde nicht nur den Nutzer, sondern auch die Allgemeinheit, wenn diese Geräte dann Spam-Mails oder Computerviren verbreiteten. Es entstünden "große Gefahren für die allgemeine IT-Sicherheit", die in keinem angemessenen Verhältnis zum möglichen Erkenntnisgewinn der Ermittlungsbehörden stünden.
Nachbesserungsbedarf bei der Kontrolle des Verfassungsschutzes sieht der ehemalige hessische Justiz-Staatssekretär und Rechtsanwalt Rudolf Kriszeleit (FDP), der einst Mitglied einer von der Regierung eingesetzten Expertenkommission war. In dem Entwurf werde nicht garantiert, dass die Oppositionsfraktionen angemessen in der parlamentarischen Kontrollkommission vertreten seien, heißt es in seiner Stellungnahme. Es bestehe die Gefahr, dass die Zusammensetzung der Kommission zu einem "Spielball" von politischen Neigungen und wechselnden Mehrheiten werde.
Gretchenfrage gesetzlich erlaubte Straftaten
Markus Löffelmann, Richter am Landgericht München I, betonte, die Befugnisse des parlamentarischen Kontrollgremiums in Hessen blieben in dem Entwurf deutlich hinter denen auf Bundesebene zurück. Es fehle insbesondere das wichtige Recht, jederzeit unverzüglich Zutritt zu den Dienststellen des Verfassungsschutzes zu erhalten.
Geregelt werden soll in dem neuen Gesetz zudem der Einsatz von V-Leuten. Ihnen sollen szene-typische Straftaten wie das Tragen von verbotenen Symbolen sowie das Vermummen ermöglicht werden. Das sieht Rechtsanwalt Till Müller-Heidelberg in seiner Stellungnahme kritisch. Erstmals in der deutschen Rechtsgeschichte werde gesetzlich festgeschrieben, dass verdeckte Ermittler Straftaten begehen dürften.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Hessen betont indes die Notwendigkeit, die Kompetenzen des Verfassungsschutzes zu stärken. Der Einsatz von V-Leuten sei wichtig. Klare gesetzliche Grundlagen könnten die Methode "vom Geruch des Skandalösen befreien". "Im vorliegenden Gesetzentwurf wurde dieser Rahmen definiert, und bereits dies alleine ist zu begrüßen", schreibt die GdP.
Auch der Landesverband des Bundes Deutscher Kriminalbeamter begrüßt den Gesetzentwurf. Er schaffe Rechtssicherheit für den Verfassungsschutz - vor dem Hintergrund "der zunehmenden Bedrohungsszenarien durch extremistische Bestrebungen". Terroristische oder extremistische Gruppen nutzten zunehmend verschlüsselte Kommunikationssysteme und müssten entsprechend überwacht werden können. Auch der Einsatz von V-Leuten gehöre zum "Kernbereich der Aufgaben nachrichtendienstlicher Tätigkeit".