Alternative

Editorial: Schick's mal schnell durch die Luft

Das Festnetz auf Abwegen: Der Hybrid-Router der Deutschen Telekom soll den Kunden Extra-Kapazität bringen - zu überschaubaren Extra-Kosten. Kann das klappen?
Von

Schick's mal schnell durch die Luft Schick's mal schnell durch die Luft
Bild: Telekom
Die Deutsche Telekom macht nun Ernst mit dem Anfang des Jahres vorgestellten Turbo für's klassische (V)DSL-Festnetz: Wer im Norden Deutschlands wohnt (bzw. im Rest Deutschlands bis zum Frühjahr 2015 wartet) und einen Call & Surf- oder Magenta-Zuhause-Tarif nutzt (oder neu abschließt), kann von der Telekom einen Hybrid-Router erwerben, der für die Festnetz-Grundversorgung den normalen DSL-Anschluss verwendet, bei dicken Down- oder Uploads aber nochmal dieselbe Bitrate zusätzlich via dem neuesten Mobilfunknetz LTE bereitstellt. Im Optimalfall verdoppelt sich so die Download- oder Uploadgeschwindigkeit.

Besonders attraktiv ist das Angebot, weil es ohne zusätzliche monatliche Grundgebühr und ohne Drossel auskommt. Der Kunde muss aber den passenden Hybrid-Router von der Telekom erwerben. Bei Abschluss eines Neuvertrags kostet er ab offiziellem bundesweiten Vermarktungsstart voraussichtlich 249,99 Euro. Derzeit und wohl auch künftig beim Kauf ohne Vertrag fallen gar 399,99 Euro an. Allerdings schlägt der von der Telekom für IP-Anschlüsse empfohlene Router, der Speedport W 724V, bei Neuvertragsabschluss auch schon mit 149,99 Euro zu buche. Es sind also 250 Euro und künftig "nur" noch 100 Euro mehr, die der Kunde für den Hybridanschluss investieren muss, um dauerhaft in den Genuss des LTE-Turbos zu kommen.

Kunden, denen via DSL-Leitung nur ein Teil der vereinbarten Maximalbandbreite der jeweiligen Vertragsstufe (S bis 16 MBit/s, M bis 50 MBit/s, L bis 100 MBit/s) zur Verfügung gestellt werden kann, profitieren bei MagentaZuhause Hybrid zudem davon, dass sich die Maximalbitrate des LTE-Turbos nach der im Vertrag vereinbarten Maximalgeschwindigkeit und der vor Ort verfügbaren Mobilfunk-Bitrate richtet, aber nicht nach der tatsächlich geschalteten DSL-Bitrate. Wer also 50 MBit/s gebucht, aber nur VDSL 25 geschaltet bekommen hat, kommt mit dem Hybrid-Turbo auf bis zu 75 MBit/s.

Ohne Drossel

Schick's mal schnell durch die Luft Schick's mal schnell durch die Luft
Bild: Telekom
Besonders erwähnenswert ist das Versprechen der Telekom, den Hybrid-Tarif nicht zu drosseln. Denn viele Smartphone-Tarife werden schon nach wenigen 100 Megabyte im Tempo drastisch reduziert - von Megabit pro Sekunde auf Kilobit pro Sekunde. Selbst bei besonders üppigen Datentarifen mit 20 GB monatlichem Volumen wird bei konstanter Auslastung mit 100 MBit/s die Drosselgrenze in weniger als einer halben Stunde erreicht!

Das neue Angebot kann sich für die Telekom somit nur dann rechnen, wenn sie damit ungenutzte, ansonsten brachliegende Kapazität aus dem Mobilfunknetz aktivieren kann, und zugleich zuverlässig verhindern kann, dass Festnetz-Power-Sauger den gut zahlenden Mobilfunk-Kunden die Zellen dicht machen. Auf Seite des Hybrid-Routers gibt es nach Angaben der Telekom (mindestens) drei Sicherungsmaßnahmen gegen Überlastung des Mobilnetzes: Zum einen verwendet der Router bevorzugt die DSL-Leitung, und schaltet LTE nur dann zu, wenn höhere Bitraten angefordert werden. Die weniger leistungsfähigen UMTS- oder gar GSM-Netze werden nicht unterstützt, und somit auch nicht belastet. Zudem ist die SIM-Karte fest an den Hybridrouter gebunden. Sie funktioniert also nicht in anderen Geräten und auch nur in der Umgebung der Adresse, an der der zugehörige DSL-Anschluss geschaltet ist.

Aber auch auf Seiten des Mobilfunknetzes sind zusätzliche Sicherungen nötig, um eine Netzüberlastung durch Festnetz-Hybrid-Kunden zu vermeiden: Die Telekom sollte ihr Mobilfunknetz so konfigurieren, dass die Hybridkunden nur ansonsten freie Kapazitäten zugewiesen bekommen. Ist eine Zelle zeitweilig schon von den Mobilfunkkunden voll ausgelastet, dann sollte den Hybridkunden keine oder nur eine minimale Datenrate zugewiesen werden. Denn letztere haben dann immer noch den normalen (V)DSL-Anschluss, nur der Turbo hat bei schon voller Zelle dann vorübergehend Ladehemmung.

Angesichts der (erwarteten) Vorrangregelung und der (unvermeidbaren) Nutzung eines geteilten Mediums muss die Praxis zeigen, wie nützlich der Hybrid-Turbo am Ende ist. Um hier und da mal einen Download deutlich zu beschleunigen - zum Beispiel die neueste Ubuntu-DVD mit ca. 1 GB in unter einer Minute zu saugen - wird sich MagentaZuhause Hybrid sicher eignen. Um parallel ein Dutzend Full-HD-Streams in hoher Qualitätsstufe laufen zu lassen, wahrscheinlich nicht. Auch stellt sich die Frage nach den Latenzen: Sobald der LTE-Turbo zuschaltet, dürfte sich die Ping-Zeit zwangsläufig auf den meist schlechteren Wert der LTE-Netze erhöhen. Dieser plötzliche Anstieg der Zeit für einen Umlauf vom Server zum Client und zurück könnte zudem zur Folge haben, dass der Server annimmt, es liegt eine Überlastung der Leitung vor, so dass er die Sende-Datenrate erstmal reduziert, und diese dann erst nach und nach wieder hochfährt.

Und wie geht es weiter?

Zur Zeit lockt die Telekom mit dem Versprechen auf dauerhaft höhere Bandbreite Pionierkunden an, die bereit sind, den oben erwähnten Aufpreis für den Hybridrouter zu bezahlen. Mit diesen will sie Erfahrungen sammeln und prüfen, ob die Technik stabil läuft. Aus demselben Grund beginnt die Vermarktung auch regional.

Dank des allgemeinen Preisverfalls für IT-Technik wird sich der Aufpreis für Hybrid-Router aber in den kommenden Jahren reduzieren. Der Aufpreis von günstigen Smartphones zu günstigen LTE-Smartphones liegt schon jetzt bei den meisten Herstellern deutlich unter 50 Euro, in Einzelfällen sogar unter 20 Euro. Klar sind die Kosten für ein LTE-Modul inklusive Antenne, SIM-Karten-Halter und Lizenzen für allgemeinen Mobilfunk-Patente sicher etwas höher als der Aufpreis von einem 2G/3G-Modul zu einem 2G/3G/4G-Modul. Die Preise für LTE-Smartphones zeigen aber, wohin die Preise auch für andere LTE-Hardware gehen werden.

Für das Marketing der Telekom ist die dank Hybrid mögliche Geschwindigkeitsangabe "bis zu 200 MBit/s" extrem wertvoll, da die Konkurrenten der Kabelnetze mit bis zu 200 MBit/s vorgeprescht sind. Bis die Telekom mit G.fast künftig gar 500 MBit/s auf der herkömmlichen Telefonleitung erreichen kann, dürfte aber noch etwas Zeit ins Land gehen. Zeit, die mit dem Hybrid-Angebot überbrückt werden kann.

Aber auch dann, wenn noch höhere Bitraten im Festnetz Einzug halten, bleibt der Hybrid-Router eine interessante Alternative, vor allem dort, wo die Mobilfunkversorgung sehr gut, die Festnetzversorgung aber dank überlanger Kabel nur mäßig bis gut ist.

Mehr zum Thema Hybrid-Anschluss

Weitere Editorials