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Editorial: Zu gleich!

Samsung unterliegt Apple zu recht
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Nach diesem - wie man sieht, nicht ganz unbedeutenden - Vorgeplänkel zum eigentlichen Urteil: Dieses bestätigt, bis auf die Einschränkung der Zuständigkeit, die Einstweilige Verfügung, die dasselbe Gericht ohne Anhörung Samsungs usprünglich erlassen hatte: Das Galaxy Tab 10.1 ist der Geschmacksmusteranmeldung Apples zu ähnlich. Da das Urteil in den meisten Medien nur verkürzt wiedergegeben wurde, soll die Unterlassungsverfügung hier in voller Pracht zitiert werden:

Den Verfügungsbeklagten wird bei Meidung eines vom Gericht für jeden Einzelfall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle der Wiederholung bis zu zwei Jahren, letztere zu vollziehen an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern der Verfügungsbeklagten, untersagt,
  • der Verfügungsbeklagten zu 1) [das ist Samsung Deutschland] im geschäftlichen Verkehr in der Europäischen Union,
  • der Verfügungsbeklagten zu 2) [das ist Samsung Korea] im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland
Computerprodukte mit folgenden Merkmalen
  1. eine insgesamt rechteckige Form mit vier gleichmäßig abgerundeten Ecken,
  2. eine flache, klare Oberfläche, welche die Vorderseite des Gerätes abdeckt, ohne jede Musterung,
  3. unter der klaren Oberfläche befindet sich eine rechteckige Begrenzung mit den gleichen Abständen zu allen Seiten,
  4. eine dünne Einfassung, welche die Vorderseite umgibt,
  5. eine Rückseite, welche an den Ecken abgerundet und an den Kanten nach oben gebogen ist, und
  6. ein dünnes Profil,
gemäß nachstehender Abbildungen [Fotos fehlen] zu benutzen, insbesondere herzustellen, anzubieten (einschließlich zu bewerben), in den Verkehr zu bringen, einzuführen, auszuführen und/oder zu diesen Zwecken zu besitzen.
Der erste Teil der Verfügung bedeutet übersetzt in normales Deutsch: "Samsung, haltet Euch auch dran, sonst wird's hässlich!". Es folgt eine detaillierte Aufzählung der Eigenschaften, wegen derer das Gericht auf die Geschmacksmusterverletzung erkannt hat. Entscheidend an dieser Aufzählung - und der Grund, warum das Urteil richtig ist - ist das von mir hervorgehobene Wort "und": Ein Tablet von Samsung (oder jedem anderen Hersteller) verstößt nur dann gegen Apples Geschmacksmuster, wenn es alle aufgezählten Eigenschaften gleichzeitig hat!
Samsung Galaxy Tab 10.1

Für jedes der im Urteil aufgezählten Designdetails, mit Ausnahme des letzten ("ein dünnes Profil") lassen sich leicht Design-Alternativen finden, die von Apples Vorbild abweichen. Und eine Änderung an einem wesentlichen Design-Merkmal ist genug, um Apples Geschmacksmuster zu entkommen. Es reicht also bereits, wenn Samsung die Ecken nicht abrundet, oder einen deutlich anderen Rundungsradius wählt, als er aus Apples Anmeldung ersichtbar ist. Oder wenn Samsung die Oberfläche der Vorderseite mit einer Musterung versieht. Denkbar wäre zum Beispiel, in das Frontglas im Außenbereich eine Verzierung zu schleifen. Ebenso könnte das Glas am Rand angeätzt werden, so dass es dort rauh und matt statt glatt und glänzend ist. Oder man wählt, wie bei Spiegeln üblich, einen Facettenschliff. Eine weitere Alternative wären ungleich breite Ränder, wobei zur Erhaltung der Symmetrie oben/unten und links/rechts weiterhin gleich sein dürften. Schließlich könnte auch auf die Einfassung verzichtet werden, oder die Einfassung deutlich dicker als beim iPad gestaltet werden.

Ausdrücklich erklärt das Gericht, dass das Folio 100 von Toshiba, das Iconia Tab von Acer, das Zii0 von creative und das 101 von Archos und das Eee Pad von Asus nicht gegen Apples Geschmacksmuster verstoßen. Einzig Samsung hat, zugegebenermaßen als stärkster Rivale von Apple, aber nach Auffasung des Gerichts auch als dessen genauester Nachahmer, den schwarzen Peter.

Der in vielen Meinungsforen geäußerte Verdacht, Apple wolle hier die Idee "Tablet-Computer" für sich "patentieren", ist auf jeden Fall vom Tisch. Man beachte auch das Jahr 2004 der Anmeldung des Geschmacksmusters: Während vielen anderen Wirtschaftsunternehmen zu Recht vorgeworfen wird, nur auf die Geschäftszahlen des jeweils nächsten Quartals zu achten, schafft es Apple, ein IT-Projekt über Jahre zu verfolgen und erst dann auf den Markt zu bringen, wenn es aus eigener Sicht perfekt ist.

Wie geht es weiter?

Wie zu erwarten war, hat Samsung sofort Berufung gegen die Einstweilige Verfügung eingereicht. Diese muss Samsung nun begründen und dann ist es an Apple darauf zu antworten. Zusätzlich kann sich Apple überlegen, ebenso Berufung einzulegen, falls sie weiterhin eine Verfügung anstreben, die für die gesamte EU (mit Ausnahme der Niederlande, die wegen abweichender Rechtslage von Anfang an ausgenommen waren) gilt. Danach folgt die mündliche Verhandlung vorm Oberlandesgericht Düsseldorf und dann das nächste Urteil. Da Apple daran gelegen sein dürfte, Samsung das Weihnachtsgeschäft in Deutschland zuverlässig zu vermiesen, werden sie wahrscheinlich auf Zeit spielen, also die eigenen Fristen jeweils bis zum letzten Tag ausreizen und zugleich möglichst viele Anträge stellen.

Nicht nur wegen der möglicherweise langen Zeit bis zum nächstinstanzlichen Urteil sollte Samsung aber nicht allein auf die juristische Karte setzen. Zwar kann man über Design und Geschmack immer streiten; es gibt aber die nicht gerade geringe Wahrscheinlichkeit, dass die nächste Instanz den Urteilsspruch des LG Düsseldorf einfach bestätigt.

Dabei könnte eine ansprechende Gestaltung der Glas-Oberfläche des Galaxy Tab diesem nicht nur im wahrsten Sinne des Wortes (und im Sinne einer möglichen, überwiegend weiblichen Käuferschaft) "den letzten Schliff" verpassen. Zwar ist das Design dann nicht mehr so klar und minimalistisch wie das von Apple. Aber eben auch nicht mehr so langweilig und unterkühlt wie das von Apple. Vor allem aber reicht die gestaltete Frontscheibe wahrscheinlich, um die Kuh vom Eis zu holen, und das ohne aufwändige Änderungen an der Produktgeometrie!

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