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Editorial: Das Ende der Gleichheit

Auktionsergebnis bietet viele Chancen für die Mobilfunkanbieter
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Hingegen stellt sich die Frage, ob die Milliarde, die die drei anderen Anbieter für jeweils zwei Blöcke der digitalen Dividende statt zwei UMTS-Blöcken zusätzlich bezahlt haben, wirklich eine gute Investition war. Denn diese kann sich erst rechnen, wenn LTE-Basisstationen ausgereift und Endgeräte in Stückzahlen und zu vernünftigen Preisen verfügbar sind, und zudem die Aufbauverpflichtungen, die im Bereich der digitalen Dividende einen bevorzugten Aufbau in bisher nicht breitbandversorgten Regionen vorsehen, ebenfalls nicht zu sehr ins Geld gehen.

Die LTE-Zeitpläne sind zwar ambitioniert, so dass alles sehr bald verfügbar sein soll. Doch die hohen Ambitionen bergen auch die Gefahr großer Enttäuschungen, sollte es doch zu Problemen kommen. Da der Technologiesprung von UMTS/HSPA zu LTE kleiner ist als der damals von GSM zu UMTS besteht die Hoffnung, dass die Zeitpläne dieses Mal besser zu halten sind. Gleichzeitig fallen auch die Vorteile von LTE - etwa Steigerung der spektralen Effizienz - deutlich geringer aus als beim letzten Technologieschritt. Die für LTE-Basisstationen erwarteten Kostensenkungen werden sich vermutlich ebenfalls für UMTS/HSPA erreichen lassen.

Besonders kritisch sehe ich die Situation von LTE bei Smartphones. Die Liste der Probleme beginnt bereits damit, dass anfangs für LTE kein Telefoniedienst vorgesehen ist: "Das rüsten wir per VoIP bzw. IMS nach, sobald die Datendienste stabil laufen" wird einem hierzu sinngemäß als Antwort genannt. Da es immer länger als erwartet dauert, bis bei einer neuen Technologie alles rund läuft, wird es mit Sprache über LTE also noch etwas dauern.

Wozu sollten dann aber Smartphones ein zusätzliches LTE-Modem haben? Nur, um sich gleichzeitig in zwei Netze einzubuchen (UMTS/GSM für Sprache, LTE für Daten) und entsprechend den Standby-Stromverbrauch zu erhöhen und die Laufzeiten stark zu senken? Besonders spannend ist der Fall, dass an einem Ort nur die "Digitale Dividende" aka LTE-800 verfügbar ist. Dann kann man immerhin noch eine E-Mail schreiben, dass man leider gerade nicht anrufen kann, da die dafür nötigen älteren Netze vor Ort nicht verfügbar sind. Schöne neue Mobilfunkwelt!

Aber selbst dann, wenn VoIP/IMS über LTE in einigen Jahren fertig standardisiert ist und folglich in den Endgeräten implementiert wird, stellt sich die Frage, wie gut die Sprachqualität sein wird. Selbst im Festnetz, wo Laufzeiten kurz sind und so gut wie nie ein Paket verloren geht, klagen Nutzer von NGN-Anschlüssen oft genug über zerhackte Verbindungen, Echos und/oder schlechte Sprachqualität. Wie soll das erst in einem LTE-Mobilfunknetz am Rand einer Zelle werden, wenn zahlreiche Bitfehler der Mobilfunk-Übertragung dazu kommen? Am Ende könnten etliche Jahre vergehen, bis die Sprachqualität in LTE-Netzen in die Nähe von GSM und UMTS kommt. Bis dahin werden LTE-Smartphones Ladenhüter bleiben. Dabei sind Smartphones eigentlich die größten Umsatzbringer der Mobilfunkindustrie!

Runter mit den Daten!

Trotz - oder vielleicht sogar gerade wegen - der Inkompatibilität zu Smartphones sehen die Netzbetreiber LTE als wichtigen Schritt in die Zukunft. Sie wollen die neuen Netze nutzen, um die bestehenden vom ausufernden Datenverkehr zu entlasten, der zu einem Großteil von Laptop-Datenkarten stammt. Gut vorstellbar, dass dazu auch tarifliche Anreize geschaffen werden, eine reine LTE-Datenflat also weniger kostet als eine herkömmliche auf Basis von UMTS und GSM.

Und LTE bietet, allen negativen Ausführungen über fehlende Sprachdienste zum Trotz, auch etliche Vorteile: LTE-800 erhöht die Reichweite einer Basisstation ungemein, insbesondere im Vergleich zu UMTS-2000. Zwar sind die 800er-Zellen dadurch groß, in der Regel mit vielen Usern und folglich niedrigen Maximaldatenraten. Aber lieber einen langsamen Downstream als gar keinen im UMTS-2000- oder LTE-2600-Funkloch.

Die Zuweisung von Kanälen geht bei LTE viel schneller als bei den bisherigen Datenstandards. Folglich sinken die ping-Zeiten drastisch, mobiles Surfen wird flüssiger. "Fast retransmission" soll es ermöglichen, gestörte Pakete sofort nochmal zu schicken, und zwar während der Empfänger noch das, was er vom ersten Sendeversuch empfangen konnte, im Zwischenspeicher hat. Denn aus zwei Wiederholungen desselben Signals ist es einfacher, das Rauschen rauszurechnen, als aus nur einer Kopie.

All das macht LTE zum Mobilfunkstandard der Zukunft. Wie schnell diese Zukunft zur Gegenwart wird, entscheidet letztendlich darüber, ob und wie schnell sich die LTE-Investitionen rechnen werden.

Wir wünschen allen Lesern ein schönes Pfingstwochenende. Das nächste Editorial erscheint, dann wieder wie gewohnt sonntags, am 30. Mai.

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