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teltarif hilft: Wenn 1&1 das Widerrufsrecht verweigert

Trotz harscher Kritik hält 1&1 an umstrittener Rechtsauffassung fest
Von Marc Kessler

Auf das Thema "Widerrufsrecht" ist man bei 1&1 nicht gut zu sprechen. Immer wieder steht das Unternehmen aufgrund seiner Praxis im Umgang mit diesem elementaren Verbraucherrecht am Pranger der Verbraucherschützer.

Auch unsere Redaktion erreichen immer wieder E-Mails Hilfesuchender, denen 1&1 ihr Widerrufsrecht - zum Beispiel bei der Bestellung eines DSL-Pakets - kategorisch verwehrt. Das Grundproblem: In der Bestellmaske der 1&1-Pakete ist seitens des Unternehmens aus Montabaur die Bereitstellungs-Option "schnellstmöglich" voreingestellt.

Will der Kunde nun innerhalb der gesetzlich verankerten 14-tägigen Widerrufsfrist vom Vertrag zurücktreten, bescheidet 1&1 dies auf die immer gleiche Art und Weise: "Sie haben uns um Stornierung Ihres Auftrages bei 1&1 gebeten. Bei der Beauftragung von 1&1 Surf-FLAT 2.000 haben Sie sich für eine schnellstmögliche Schaltung des 1&1 Netzanschlusses entschieden. Damit haben Sie uns beauftragt, die Schaltung Ihrer DSL Leitung noch während der laufenden Frist für Ihr Widerrufsrecht sofort auszuführen. Wir haben daher auf Ihren Wunsch vor Ende der Widerrufsfrist mit der Ausführung der beauftragten Leistung begonnen und Ihren Auftrag zur Schaltung eines 1&1 Netzanschlusses an unsere Technologiepartner übermittelt. Ein Widerruf Ihres Auftrages ist daher nicht mehr möglich."

1&1 beruft sich auf das Bürgerliche Gesetzbuch

Doch auch bei Kunden, die die Option "Wunschtermin" ausgewählt haben, wird in vielen Fällen unter Hinweis auf die bereits erfolgte Ausführung der Leistung strikt auf Erfüllung des Vertrags bestanden. 1&1 beruft sich mit seiner Rechtsauffassung auf Paragraph 312 d des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Dort heißt es, dass das Widerrufsrecht erlischt, "wenn der Unternehmer mit der Ausführung der Dienstleistung mit ausdrücklicher Zustimmung des Verbrauchers vor Ende der Widerrufsfrist begonnen hat oder der Verbraucher diese selbst veranlasst hat."

Bestellmaske bei 1&1 mit voreingestellter Option "schnellstmöglich"
Foto: teltarif.de
Dass das Widerrufsrecht aber bei Bestellung eines DSL-Pakets nicht schon durch die Auswahloption "schnellstmöglich" erlischt, bekräftigt Hagen Hild, Fachanwalt für IT-Recht aus Augsburg. "Bei reinen Vorbereitungshandlungen erlischt das Widerrufsrecht nicht", sagt Hild. Mit der Ausführung des Vertrages werde erst dann begonnen, "wenn der Verbraucher unmittelbar in den Genuss der Dienstleistung gekommen ist, die er bestellt hat."

Die Auslegung von 1&1, dass bereits mit im Hintergrund beauftragten Vorleistungen das Widerrufsrecht des Kunden erlische, hält Hild für eine "rein unternehmenseigene Meinung." Ähnlich sieht dies auch Ralf Reichertz von der Verbraucherzentrale Thüringen. Für ihn beginnt die Leistung seitens 1&1 erst dann, "wenn ich das Ding eingerichtet habe und tatsächlich beginne, zu surfen. Alles andere wäre willkürlich." Auch seitens der Verbraucherzentralen vertrete man die Ansicht, dass "Leistungen im Hintergrund nicht zu einem Erlöschen des Widerrufsrechts nach Paragraph 312 d führen."

Verbraucherzentrale: 1&1 lässt den Kunden in die Falle tappen

Reichertz sieht im Verhalten von 1&1 zudem Absicht: "Es drängt sich der Verdacht auf, dass 1&1 den Verbraucher gezielt im Ungewissen lässt." Dass der Kunde bei der Online-Bestellung nicht explizit auf ein mögliches Erlöschen des Widerrufsrechts hingewiesen wird, hält er für eine "Falle, die der Kunde nicht erkennen kann."

teltarif.de hat bei 1&1 schriftlich nachgefragt, ob man die vielfach kritisierte Praxis nicht ändern wolle. Vor allem wollten wir wissen, ob man den Kunden nicht zumindest ausdrücklich (z.B. per Pop-up-Fenster oder rot markiertem Hinweis) darauf hinweisen wolle, dass sein Widerrufsrecht bei "schnellstmöglicher" Bestellung erlösche.

Auf diese Frage ging 1&1 jedoch nicht ein. Auf Nachfrage teilte uns Sprecherin Nadja Heinz mit: "Die Frage beantworten wir nicht." Stattdessen teilte 1&1 uns mit, es sei "nicht unsere Absicht, gegenüber unseren Kunden mit reinen Rechtsausführungen zu argumentieren. Wir möchten vielmehr bei unseren Kunden Verständnis wecken und setzen in jedem Falle auf eine vernünftige und kulante Lösung." Diese Kulanz lässt 1&1 aber offenbar eben nicht walten, was zahlreiche Zuschriften an unsere Redaktion und in unserem Forum immer wieder belegen.

Im Ernstfall: Verbraucherzentrale ist gute Anlaufstation

Wir raten Lesern, die ebenfalls Probleme mit dem Widerruf bei 1&1 haben: Kontaktieren Sie eine Verbraucherzentrale und lassen Sie sich dort beraten. Meist reagiert das Westerwälder Internet-Unternehmen doch noch und entlässt Kunden aus dem ungewollten Vertrag. Dasselbe gilt bei Kunden, die per Anwalt gegen 1&1 vorgehen. Meist lässt es 1&1 nicht auf einen Rechtsstreit ankommen, um keine Präzedenzfälle zu schaffen.

In jedem Fall sollten Sie auf Ihr Widerrufsrecht pochen und den Widerruf des Vertrags innerhalb von zwei Wochen, am besten schriftlich und per Einschreiben, erklären. Zusätzlich kann es sinnvoll sein, den Widerruf vorab per Fax samt Sendebestätigung zu senden.

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