Gestoppt

E-Rezept: Pilotregion für Arztpraxen legt Vorhaben auf Eis

Die Digi­tali­sie­rung des Gesund­heits­wesens ist eine große Aufgabe, die nur schlep­pend voran­kommt. So ist es auch beim E-Rezept - einem Vorhaben, das einfach nicht in die Gänge kommen will. In der bundes­weit einzigen Pilot­region wird nun die Reiß­leine gezogen.
Von dpa /

Rezepte kommen erstmal weiterhin überwiegend analog Rezepte kommen erstmal weiterhin überwiegend analog
Armin Sestic - fotolia.com
Nächster Rück­schlag für das E-Rezept: Die Kassen­ärzt­liche Verei­nigung West­falen-Lippe (KVWL) setzt die Einfüh­rung der elek­tro­nischen Verschrei­bung aus. Hierzu sehe man sich wegen der Haltung des Bundes­daten­schutz­beauf­tragten gezwungen, teilte die Ärzte­ver­eini­gung heute in Dort­mund mit. Der Daten­schutz­beauf­tragte Ulrich Kelber (SPD) hatte im September sein Veto gegen den Plan zur Nutzung von Versi­cher­ten­karten einge­legt.

West­falen-Lippe ist die einzige Pilot­region in Deutsch­land, in der das E-Rezept im großen Stil einge­führt werden sollte. Anfang September stiegen 250 Praxen ein, diese Zahl sollte schritt­weise erhöht werden - dies geschieht nun aber nicht mehr.

Proze­dere ist viel zu mühsam

Rezepte kommen erstmal weiterhin überwiegend analog Rezepte kommen erstmal weiterhin überwiegend analog
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Bisher kann man das E-Rezept nur über sein Handy bezie­hungs­weise über einen Ausdruck abrufen. Für eine App braucht man eine PIN von seiner Kran­ken­kasse - die bekommt man nur nach einer persön­lichen Veri­fizie­rung vor Ort bei seiner Kasse oder in der Post. Offenbar ist vielen das Proze­dere zu mühsam, Anträge für die PIN gab es nur wenige.

Bei der schlep­penden Einfüh­rung kommt erschwe­rend hinzu, dass die Skepsis in der Ärzte­schaft groß ist. In diesem Jahr wurden bisher nur rund 525.000 Digi­tal­ver­schrei­bungen einge­löst. Zum Vergleich: Pro Jahr werden in Deutsch­land circa 500 Millionen Verschrei­bungen als rosa Zettel­chen ausge­stellt - der Anteil der Digi­tal­ver­schrei­bung ist also verschwin­dend gering.

Auf frei­wil­liger Basis können in Deutsch­land zwar alle Praxen das E-Rezept anbieten, von einer flächen­deckenden Anwen­dung ist das Produkt aber weit entfernt. Mit der Pilot­region West­falen-Lippe sollte die Digi­tal­ver­schrei­bung neuen Schwung bekommen - die dortige Kassen­ärzt­liche Verei­nigung hatte sich bereit­erklärt, die Einfüh­rung aktiv zu begleiten und Schritt für Schritt mehr Praxen einzu­binden. Schleswig-Holstein sollte eben­falls voran­schreiten, brach dies bei Arzt­praxen wegen Daten­schutz­bedenken zur geplanten Nutzung von SMS und E-Mails aber ab.

Daten­miss­brauch in Apotheken befürchtet

Der Bundes­daten­schutz­beauf­tragte hatte im Falle von West­falen-Lippe befürchtet, dass es in der geplanten Form Daten­miss­brauch in Apotheken geben könnte. Notwen­dige tech­nische Nach­rüs­tungen mit Updates für Konnek­toren - also Routern - und die Apotheken-Soft­ware dauern wohl bis Mitte 2023. So lange wollte die KVWL nicht warten und zog nun die Reiß­leine.

"Die Entschei­dung des Daten­schüt­zers ist eine Bank­rott­erklä­rung für die Digi­tali­sie­rung im Gesund­heits­wesen gene­rell und speziell in der ambu­lanten Versor­gung", sagte KVWL-Vorstand Thomas Müller. Das ange­strebte Ziel, dass 25 Prozent aller Verschrei­bungen von gesetz­lich Versi­cherten elek­tro­nisch erfolgen, könne nicht erreicht werden.

Durch die Entschei­dung des Bundes­daten­schutz­beauf­tragten sei der ange­strebte Fort­schritt für Pati­enten, Ärzte und alle weiteren Betei­ligten in Frage gestellt. "Wir fordern erneut eine rein digi­tale Lösung - nur dann kann eine Fort­set­zung des Roll­outs durch die KVWL erfolgen", sagte Müller.

Vorteile des komplett papier­losen Wegs

Die für die Digi­tali­sie­rung des Gesund­heits­wesens zustän­dige Berliner Firma Gematik äußerte sich eben­falls enttäuscht. Man bedauere die Entschei­dung der KVWL, die Einfüh­rung des E-Rezepts vorläufig nicht weiter zu forcieren. Das E-Rezept werde aber bundes­weit weiterhin genutzt, stellte sie heraus. Seit Anfang Oktober hätten mehr als 3700 Arzt­praxen E-Rezepte ausge­stellt, die in mehr als 9200 Apotheken einge­löst worden seien. Die Anzahl der für die App "Das E-Rezept" ausge­gebenen PIN sei zwar noch niedrig, aber Berichte von Pati­enten bestä­tigten die Vorteile des komplett papier­losen Wegs.

Die nächsten Schritte für die bundes­weite Einfüh­rung des E-Rezepts werden die Gesell­schafter der Gematik - neben dem Mehr­heits­eigner Bundes­gesund­heits­minis­terium auch Inter­essen­orga­nisa­tionen aus der Gesund­heits­branche - bei einer ihrer nächsten Versamm­lungen abstimmen. Das Ziel einer flächen­deckenden Einfüh­rung des E-Rezepts im Jahr 2023 bleibe bestehen, so die Gematik.

Die Umstel­lung von Papier­rezept auf Digi­tal­ver­schrei­bung ist ein Groß­vor­haben im deut­schen Gesund­heits­wesen, das bereits Start­pro­bleme hatte. Ein Pilot­pro­jekt in Berlin-Bran­den­burg verlief im vergan­genen Jahr weit­gehend im Sande, eine bundes­weite Test­phase begann später als geplant. Die eigent­lich für Januar 2022 vorge­sehene Pflicht­ein­füh­rung wurde abge­bro­chen. Die frei­wil­lige Einfüh­rung mit Pilot­regionen, wo die Moti­vation in der Ärzte­schaft relativ hoch ist, entwi­ckelt sich nun eben­falls zum Rohr­kre­pierer.

Der Zugriff auf die Digi­tal­ver­schrei­bung über die App kann prak­tisch sein, etwa wenn man eine Video­sprech­stunde wahr­genommen hat und der Arzt danach kein Papier­rezept per Post schi­cken muss. Für Privat­ver­sicherte gilt das Digi­tal­rezept nicht.

Die CovPass App infor­miert jetzt auch über Bundes­land-spezi­fische Corona-Rege­lungen. Das Update ist für Android und iOS erhält­lich.

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