Verbrecherjagd im Netz: Facebook-Fahndung umstritten
Die Ansichten über den Nutzen der Facebook-Fahndung gehen auseinander.
Bild: dpa
In Thüringen gehen die Meinungen über
polizeiliche Fahndungsaufrufe auf Online-Netzwerken wie Facebook
auseinander. Während die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und das
Justizministerium einer stärkeren Nutzung sozialer Netzwerke zur
Verbrechensbekämpfung aufgeschlossen gegenüberstehen, überwiegen beim
Landesdatenschutzbeauftragten und dem Innenministerium Zweifel. Die
Linke-Landtagsfraktion hält die Facebook-Fahndung gar für
unverantwortlich, wie eine Umfrage der Nachrichtenagentur dpa ergab.
Die Justizminister der Länder lassen derzeit prüfen, ob die Polizei
künftig auch bei Facebook auf Verbrecherjagd gehen kann.
In Niedersachsen gibt es dazu bereits ein Pilotprojekt. So bittet die Polizei in Hannover Internetznutzer seit längerem über einen eigenen Facebook-Auftritt um Hinweise bei der Aufklärung von Verbrechen. Auch in Hessen sucht die Polizei bereits auf diese Weise nach Kriminellen.
"Wir sind optimistisch, eine vernünftige Variante der Nutzung sozialer Netzwerke zu finden", sagte Justizminister Holger Poppenhäger (SPD). Allerdings müssten zuvor noch einige Fragen zu den Rechtsgrundlagen und dem Datenschutz geklärt werden. Das betreffe zum Beispiel den Umgang mit Bildern und Texten auf dem Portal. Noch offen sei derzeit, wie sichergestellt werden könne, dass Fotos und Fahndungsaufrufe später auch wirklich wieder aus dem Netz verschwinden. Thüringen habe sich auf der Justizministerkonferenz dafür eingesetzt, dass eine Arbeitsgruppe entsprechende Lösungsvorschläge erarbeite.
Ganz viele Fragezeichen
Die Ansichten über den Nutzen der Facebook-Fahndung gehen auseinander.
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Sehr zurückhaltend gab sich hingegen Innenminister Jörg Geibert
(CDU). Zwar könnten die Neuen Medien nicht negiert werden, doch
dürften dabei die Persönlichkeitsrechte nicht ausgeblendet werden,
gab Geibert zu Bedenken. Würden beispielsweise Fahndungsfotos von zu
Unrecht Verdächtigen eingestellt, könne das zu einer Stigmatisierung
führen. "Wir wollen kein Lynchsystem aufbauen, und wir wollen auch
nicht, dass jeder zum Ersatzpolizisten wird und auf eigene Faust auf
Verbrecherjagd geht." Der Innenminister sagte, er sehe bei der
Facebook-Fahndung "ganz viele Fragezeichen".
Ähnlich äußerte sich Thüringens Datenschutzbeauftragter Lutz Hasse. Da sich Facebook bislang nicht in die Karten schauen lasse und die Server im Ausland stünden, könne die Sicherheit der Daten weder gewährleistet noch kontrolliert werden. Die Polizei dürfe daher keine personenbezogenen Daten einstellen, forderte Hasse. Die eigentliche Fahndung müsse auf einem von der Polizei betriebenen Server stehen. Die Beamten könnten dann bei Facebook oder anderen Plattformen einschlägige Links verbreiten.
Der GdP-Landesvorsitzende Marko Grosa sprach von "fadenscheinigen datenschutzrechtlichen Gründen", mit denen die Facebook-Fahndung verhindert werden solle. Soziale Netzwerke hätten einen enormen Zuspruch. Daher könnten mehr Menschen als mit den klassischen Medien erreicht werden. Die Polizei käme so schneller an Hinweise. Die rechtlichen Voraussetzungen für Öffentlichkeitsfahndungen per Radio, Zeitungen oder Internet seien dieselben. "Es gibt zu viele Dinosaurier in der Verwaltung, die mit den modernen Medien nichts anfangen können", kritisierte der Gewerkschafter. So werde in Thüringen etwa schon seit längerem die Schaltung einer Internetwache - wie es sie bereits in Hessen und Niedersachsen gebe - geblockt.
Die Facebook-Fahndung käme der Einführung eines Online-Prangers gleich, hielt die Netzpolitikerin der Linke-Landtagsfraktion, Katharina König, entgegen. "Fahndungsdaten sind sensible Daten, die nicht in die Hände einer unkontrollierbaren Privatfirma gehören."