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Urteil: Widerrufsfrist beginnt nicht mit Paket-Abgabe beim Nachbarn

Widerrufsrecht beim Online-Shopping darf nicht ausgehebelt werden
Von Marc Kessler

Paketzustellung Durch die bloße Abgabe einer Sendung beim Nachbarn beginnt die Widerrufsfrist noch nicht
Foto: DHL / Montage: teltarif.de
Ein wichtiges Urteil für Freunde des Online-Shoppings: Die Frist des gesetzlich festgelegten Widerrufs­rechts beginnt erst dann zu laufen, wenn der Empfänger das Paket tatsächlich in Händen hält - und nicht schon dann, wenn die Sendung bei einem hilfsbereiten Nachbarn abgegeben wird. Das hat das Amtsgericht Winsen an der Luhe entschieden (Az.: 22 C 1812/11, Urteil vom 28.06.2012), wie die Kanzlei Dr. Bahr berichtet.

Wann beginnt die Widerrufsfrist zu laufen?

Paketzustellung Durch die bloße Abgabe einer Sendung beim Nachbarn beginnt die Widerrufsfrist noch nicht
Foto: DHL / Montage: teltarif.de
Ein Online-Shop hatte seinem Kunden das Widerrufsrecht verweigert, weil dieser nach Auffassung des Händlers die 14-tägige Widerrufsfrist überschritten hatte. Der Händler ging dabei davon aus, dass die Widerrufsfrist bereits mit der Abgabe des Pakets bei einem Nachbarn zu laufen begonnen hatte. Das Widerrufsrecht für sogenannte Fernabsatzverträge ist in Paragraph 312d des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) festgelegt. Hier findet sich die Formulierung, dass die Widerrufsfrist "bei der Lieferung von Waren nicht vor deren Eingang beim Empfänger" beginnt.

Abgabe beim "freundlichen Nachbarn" ist kein Erhalt der Sendung beim Empfänger

Dieser Eingang beim Empfänger erfolgt nach Ansicht des Gerichts jedoch erst dann, "wenn die Sache beim Verkäufer tatsächlich übergeben wird. (...) Bei einer Abgabe in der Nachbarschaft trifft das hingegen nicht zu." Etwas anderes gelte nur dann, so das niedersächsische Gericht, "wenn der Empfänger einen bestimmten Nachbarn bevollmächtigt hat, für ihn Sendungen entgegen­zunehmen und damit eingestehen will, dass die Sache ihm als zugestellt gilt, wobei der Vertreter eine schriftliche Vollmacht vorzulegen hätte."

Im verhandelten Fall habe es sich jedoch um eine Situation gehandelt, bei der "der freundliche hilfsbereite Nachbar von nebenan ohne ausdrückliche Vereinbarung mit dem Empfänger von sich aus zur Entgegennahme von Sendungen bereit" war. Die Konsequenz daraus: "Folglich wird durch eine Abgabe einer Sendung beim 'freundlichen Nachbarn' der Empfänger gerade nicht in die Lage versetzt, ab dem Zeitpunkt der dortigen Abgabe in eine Prüfung der Ware einzutreten."

Risiko langer Zustellzeiten trägt der Online-Shop

Der Online-Shop habe es selbst in der Hand, sicherzustellen, dass (nur) der Empfänger das Paket entgegennehmen könne. "Mag sie [der Händler] bei ihrem Paketservice sicherstellen, dass jener die Ware nicht irgendeinem Dritten übergibt."

Das Risiko, dass Kunden Ware bestellten und dann lange nicht zuhause seien, trage der Händler. "Bei einer solchen Kundschaft ist halt nicht festzustellen, dass die Ware dem Empfänger zugegangen ist und - so unfreundlich das sein mag - die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen hat." Die Berufung wurde nicht zugelassen.

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