Funkzellenüberwachung

Bundestag diskutiert umstrittene Funkzellenüberwachung

Mehrere Fraktionen fordern Änderung der Strafprozessordnung
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Der deutsche Bundestag hat sich gestern mit der umstrittenen Ermittlungsmethode der Funkzellenüberwachung beschäftigt: Nach ausufernden Überwachungsmaßnahmen in Sachsen, Berlin und anderen Bundesländern haben zwei Fraktionen eine Änderung der Strafprozessordnung gefordert. Die anwesenden Experten äußerten sich uneinheitlich.

Die umstrittenen Funkzellenüberwachungen (FZA) in Sachsen und Berlin hatten aufgrund der Masse der ausgespähten Mobiltelefone Datenschützer auf den Plan gerufen, die eine stärkere Kontrolle der Ermittlungsbehörden forderten. Gleichzeitig wurde bekannt, dass die massenhafte Ausspähung von Mobilfunk-Verkehrsdaten in keinem bisher bekannten Fall zur Verhinderung oder Klärung eines schweren Verbrechens geführt hat.

Bündnis 90/Die Grünen wollen Erschwerung der Funkzellenabfrage

Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages diskutierte über umstrittene Funkzellenauswertung Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages diskutierte über umstrittene Funkzellenauswertung
Foto: Deutscher Bundestag / Katrin Neuhauser
In einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages haben sich gestern neun eingeladene Experten zum Thema geäußert. Anlass dafür waren zwei Gesetzesentwürfe von Bündnis 90/Die Grünen und Linksfraktion, die allerdings unterschiedliche Ziele verfolgen.

Der Entwurf von Bündnis 90/Die Grünen sieht vor, die richterliche Begründungspflicht auszuweiten, um Eingriffe in das Grundrecht zu begrenzen. Der Fraktion ist es ein Dorn im Auge, dass Polizeibeamte am 19. Februar 2011 in Dresden bei einer Funkzellenauswertung zum großen Teil Daten von unbeteiligten Personen erhoben haben. Diese Daten seien in Ermittlungen verwendet worden, für die keine Genehmigung vorgelegen habe. Die Staatsanwaltschaft Dresden habe diesen Datentransfer inzwischen teilweise unterbunden.

Da sich die Funkzellenauswertung nur gegen den Beschuldigten oder dessen Nachrichtenmittler richten dürfe, soll der Entwurf die Funkzellenabfrage erschweren. Die Änderung der Strafprozessordnung diene außerdem einer besseren parlamentarischen Kontrolle. Die große Streubreite und der weitreichende Grundrechtseingriff der Maßnahme gegenüber Unbeteiligten erfordere es vielmehr, die Eingriffsschwellen anzuheben. In der Begründung konstatiert die Fraktion: "In der Praxis kommt es bei der FZA immer wieder zu einer erheblichen Zahl von intensiven Grundrechtseingriffen."

Linksfraktion fordert komplette Abschaffung der Methode

Noch einen Schritt weiter geht die Linksfraktion mit ihrem Entwurf und fordert die komplette Abschaffung der Funkzellenüberwachung. Es sei nicht akzeptabel, dass die Daten friedlicher Demonstrationsteilnehmer und Anwohner gesammelt werden. Die momentan in der Strafprozessordnung enthaltenen Schutzmaßnahmen oder weitergehende "Legislativ-Sicherungen" seien nicht ausreichend. Erforderlich sei vielmehr die ersatzlose Streichung dieser Maßnahme aus dem Katalog möglicher Verfolgungsinstrumente.

"Eine Erfassung von unberechenbar vielen Personen, die in keinerlei Zusammenhang mit den polizeilichen Ermittlungen stehen – insbesondere in großen Ballungszentren – ist also unvermeidlich. Damit einher geht ein massiver Grundrechtseingriff", stellt die Linksfraktion in ihrem Entwurf fest. "Insbesondere im Hinblick auf die fortschreitende Technisierung der Gesellschaft, die Verbreitung moderner Kommunikationsmittel und die damit einhergehende Möglichkeit staatlichen Zugriffs auf mehr und mehr Verbindungsdaten gewinnt dieses Grundrecht besondere Bedeutung. Durch die automatisierte Verarbeitung und Verknüpfung der durch die FZA gewonnenen computerlesbaren Verkehrsdaten können Freundschaftsbeziehungen und Netzwerke, Interessen und politische Einstellungen identifiziert und Bewegungsprofile erstellt werden. Dieser massive Eingriff ist in Bezug auf die unberechenbar hohe Vielzahl an von der FZA betroffenen Unbeteiligten nicht verhältnismäßig."

Durch den Wegfall der "kostenintensiven Ermittlungsmaßnahme" rechnet die Linksfraktion mit einer Kostenersparnis bei den Landes- und Bundespolizeien.

Auf der folgenden Seite lesen Sie, zu welch unterschiedlichen Einschätzungen die bei der Bundestags-Anhörung anwesenden Experten gekommen sind.

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