GEZ-APP-T?

Editorial: Viel Aufregung um ein bisschen App

Die Tagesschau auf dem iPhone ist nicht das Ende des freien Journalismus
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Um Weihnachten herum haben journalistische Medien, wie auch im bekannten "Sommerloch", zumeist mit einem Mangel an Inhalten zu kämpfen. Und so hält sich plötzlich manches Thema tagelang, welches sonst gleich wieder im allgemeinen Rauschen untergehen würde: Die "Tagesschau" soll es demnächst als eigene iPhone-App geben. Sie gesellt sich damit zu tausenden anderen Apps, die journalistische Inhalte in der einen oder anderen Weise für die Nutzung auf dem kleinen Display bündeln.

Zum Aufreger wurde das Thema, weil Springer vor kurzem seine Apps für Bild und Welt - anders als bisher üblich - kostenpflichtig gemacht hatte, und nun gegen die öffentlich-rechtliche Konkurrenz stänkerte, welche die Tagesschau-App kostenfrei verteilen will. Was zunächst wie das Statement eines schlechten Verlierers aussah, fand schnell und unerwartet viele Fürsprecher, etwa in der Politik und beim Steuerzahlerbund. Diese pflichteten Springer bei, dass es nicht angehe, dass die ARD über die GEZ eingesammelte Gebühren ausgebe, um über Rundfunk und Fernsehen hinausgehende Verbreitungskanäle zu erschließen.

App ist ok!

Tagesschau-App Tagesschau bald mit iPhone-App
Foto: teltarif
Schaut man genauer hin, ist aber kein Grund erkennbar, warum man den öffentlich-rechtlichen Sendern prinzipiell die Entwicklung einer App verbieten sollte. Technik entwickelt sich nunmal weiter, und so lange man den Sendern einen Auftrag zur "Grundversorgung" (und nicht etwa nur zur "Minimalversorgung") erteilt, dürfen und müssen sie mit der Zeit gehen. Das war damals bei der Einführung des Farbfernsehens oder Stereotons so, und ist heute mit HDTV oder Streaming-Inhalten für mobile Endgeräte nicht anders.

Hinzu kommt, dass eine iPhone-App wahrlich kein Zauberwerk ist. Viele Apps sind kaum mehr als ein verkappter RSS-Feed; die Bild-App ist vor allem ein PDF-Reader. So etwas aus vorgefertigen Software-Bausteinen zusammenzusetzen kostet ein paar Entwickler-Manntage. Das gilt auch für die zu erwartende Tagesschau-App, die auf bereits vorhandenen öffentlich-rechtlichen Inhalten für das mobile Internet aufsetzen dürfte. Im Vergleich zu dem, was die öffentlich-rechtlichen für eine Sendung "Wetten, dass" oder für Fußball-Übertragungsrechte ausgeben, sind das absolute Peanuts. Wegen so einer Entwicklung müssen die Rundfunkgebühren nicht steigen.

Vertriebsform ist zu prüfen!

Kritisch ist aber ein anderer Punkt: Nach öffentlich-rechtlicher Gebührenlogik macht die Möglichkeit, eine Tagesschau-App zu installieren, das iPhone zum "neuartigen Rundfunkempfänger". Und das unabhängig davon, ob man die App tatsächlich herunterlädt und nutzt. Sie ist also alles andere als kostenlos, sondern dank Rundfunkgebühren sogar recht teuer, und das sogar für Nichtnutzer!

Wir brauchen somit für "neuartige Empfangsgeräte" dringend - wie von teltarif bereits wiederholt gefordert - eine Abkehr vom bisherigen Prinzip, die Inhalte kostenlos auszustrahlen und dann jeden an die GEZ zahlen zu lassen, der die Inhalte irgendwie empfangen könnte. Stattdessen sollten nur diejenigen zahlen, die die Inhalte auch tatsächlich nutzen. So könnte die GEZ zusammen mit der Gebührenrechnung die Zugangscodes für die Internet- und mobil-Versionen von ARD, ZDF und Co. versenden. Ohne Code würde die Tagesschau-App dann nicht mehr zeigen, als ein Eingabefenster für den Zugangscode und alternativ ein GEZ-Anmeldeformular zur Sofort-Freischaltung.

Ob der Zuschauer sich dann die Tagesschau zu Hause live auf dem Fernseher, später per Stream auf dem Laptop oder unterwegs in der Zusammenfassung auf dem iPhone anschaut, ist seine Entscheidung. Und wenn in einigen Jahren auch die Videokamera des Nutzers dank UMTS-Modul in der Lage ist, Streams abzuspielen, dann kann er auch dort die Tagesschau abrufen, wenn er GEZahlt hat.

Grenzen für den GEZ-Hunger!

Erlauben wir hingegen die uneingeschränkte Erweiterung des bisherigen Rundfunk-Gebührenmodells auf Online-Netze, dann kommt der Zeitpunkt, an dem wir Mikrowelle und Kühlschrank anmelden müssen, weil diese über die allgemeine Hausvernetzung mit dem Internet verbunden sind. Diese wird zwar vorrangig anderen Zwecken dienen - etwa der gezielten Steuerung des Stromverbrauchs abhängig vom Lastzustand der Netze ("smart grid") - aber die öffentlich-rechtlichen Sender werden einen Weg finden, ihre Inhalte auch auf Küchengeräten anzuzeigen, wenn ihnen das Gebühren bringt. Keiner kann diese ungebremste Ausweitung der Gebührenpflicht wirklich wollen!

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