Stellungnahme

Wettbewerber warnen vor TK-Plänen der Großen Koalition (Update)

VATM: Pläne würden der Telekom in die Hände spielen
Von Thorsten Neuhetzki /

VATM-Chef Jürgen Grützner VATM-Chef Jürgen Grützner
Foto: VATM
Der VATM warnt vor einem un­differen­zierten Abbau von Re­gulierung im deut­schen Tele­kommunikations­markt und geht auf die aktuellen Pläne der wohl kommenden Großen Koalition ein. Der Verband, der zahl­reiche alternative Wett­bewerber vereint, warnt, dass ein "Regulierungs­kahlschlag" dem deutschen Markt massiv schaden und weitere Investitionen in den Breitband­ausbau stoppen würde. Auch würde er die in den vergangenen Jahren etwa im Rahmen der großen TKG-Novelle eingeführten Ver­besserungen der rechtlichen Rahmen­bedingungen ins Leere laufen lassen, warnt der Verband. Zudem warnt der Verband der Anbieter von Tele­kommuni­kations- und Mehrwert­diensten, das eine Abkehr von Regulierung und Wettbewerb EU-rechtswidrig sei und wohl erneut ein Vertrags­verletzungs­verfahren provozieren würde.

Verbraucher sind nicht bereit, für mehr Geschwindigkeit mehr zu zahlen

VATM-Chef Jürgen Grützner VATM-Chef Jürgen Grützner
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Der Verband geht bei seiner Stellung­nahme auch auf die Forderung ein, dass die Politik eine flächendeckende Versorgung des Landes mit einer Mindest­geschwindig­keit von 50 MBit/s erreichen will. VATM-Geschäfts­führer Jürgen Grützner warnt, dass dieses Ziel kaum erreichbar ist, "weil die Kunden nicht bereit sind, für mehr Geschwin­digkeit auch deutlich mehr zu zahlen." Das solle nun durch einen Breitband­universal­dienst geändert werden - aus seiner Sicht zugunsten der Telekom. "Zu Recht war dieser Ansatz von der zuständigen Facharbeitsgruppe verworfen worden."

Grützner verweist auf eine Zwangs­abgabe wie in den USA, die den Milliarden teuren Netzausbau finanzieren soll. "Universaldienst heißt das vermeintliche Zauberwort und kostet in den USA die Verbraucher und Geschäftskunden 16 Prozent auf jede Telefonrechnung." Insgesamt seien das mehr als acht Milliarden Dollar pro Jahr. "Weil es so bürokratisch und aufwendig ist, das Geld einzu­sammeln und die Verteilung auf einzelne Unternehmen und Projekte festzulegen, kommt eine aktuelle amerikanische Studie der renommierten New America Foundation zu dem Ergebnis, dass mehr Wettbewerb die Qualität verbessern und die Kosten deutlich senken könnte. In den USA zahlen die Kunden für den Internet­zugang etwa doppelt so viel wie in Deutschland und das bei meist schlechterer Qualität und gedrosseltem Datenvolumen."

Breko: Telekom versucht Große Koalition zu beeinflussen

Auch der Breko, der Bundesverband Breitbandkommunikation, warnt die künftige Bundesregierung in einer aktuellen Stellungnahme davor, den Forderungen der Deutschen Telekom nach Deregulierung und ordnungspolitischer Bevorzugung großer europäischer Telekommunikationsunternehmen nachzugeben. Das Bonner Unternehmen versuche derzeit, die Koalitionsverhandlungen der Spitzen von CDU/CSU und SPD mit einem von ihm gestreuten Positionspapier zu seinen Gunsten zu beeinflussen. So äußere sich der Ex-Monopolist unter anderem auch gegen die deutsche Bundesnetzagentur: Die "intensive Preisregulierung der letzten Jahre habe "zu immer geringeren Umsätzen und einem teils ruinösen Preiswettbewerb bei europäischen TK-Anbietern geführt" (teltarif.de berichtete). Diese Mittel fehlten beispielsweise beim Netzausbau, heißt es seitens des Konzerns. Nur durch einen völligen Verzicht auf Regulierung könnten die großen europäischen TK-Anbieter - nach dem Vorbild der USA und China - die notwendigen Investitionen für einen flächendeckenden Breitbandausbau schultern, heißt es laut Breko von der Telekom.

VATM befürchtet ein "zurück zu Monopolisten"

VATM-Chef Grützner wirft CSU-Chef Horst Seehofer vor, amerikanische Verhältnisse nach Deutschland zu holen. Der Wettbewerb sei schuld, dass die Telekom so wenig in den Breitbandausbau investieren könne, so laut Grützner das Credo von Seehofer. "Zurück zu Monopolisten" sei genau das, was die Telekom in Deutschland anstrebe, so der VATM mit Verweis auf ländliche Orte, in denen die Telekom oft erst dann ausbaut, wenn ein Wettbewerber sich anschickt, gleiches zu tun. In den USA hätten nur rund 9 Prozent der Kunden die Wahl zwischen drei oder mehr Anbietern. Daher seien die Gewinne der Unternehmen dort deutlich höher - aber eben auch die Verbraucherpreise. "Bundeskanzlerin Angela Merkel muss hier ganz schnell ein Machtwort sprechen, damit die Wettbewerbs­strukturen in Deutschland nicht aufs Spiel gesetzt werden, um die uns die Telefonkunden in den USA beneiden", so Grützner.

Nur wenige große Anbieter zu haben ist auch ein Ansinnen von EU-Kommissarin Neelie Kroes in ihrem Single Market Paket. Ihr wären wenige große europäische Anbieter deutlich lieber als ein Flickenteppich von Anbietern. Wie teuer ein flächendeckender Breitbandausbau werden würde, war vergangene Woche durch eine Studie bekannt geworden. Für eine hundertprozentige Flächendeckung müssen selbst bei optimiertem Technologie-Mix noch rund 20 Milliarden Euro aufgebracht werden: Der Anschluss der letzten fünf Prozent kostet 3 850 Euro pro zusätzlichem Haushalt.

Update 13.11., 19:00 Uhr: Stellungnahme der Telekom

Zum obigen Bericht erhielten wir heute folgende Stellungnahme der Telekom: "Die Deutsche Telekom hat sich nie für einen Universaldienst stark gemacht. Im Gegenteil, wir haben immer wieder gesagt, dass ein Unternehmen mit einem Marktanteil von etwa 50 Prozent die Investitionen in Breitbandinfrastruktur nicht allein stemmen kann. [...] In dem Positionspapier, das Ihnen [gemeint ist die teltarif.de-Redaktion, Anm. der Red.] vorliegt und über das Sie auch berichtet haben, fordert die Deutsche Telekom, dass es in der EU einen neuen Politikansatz geben muss, um die Europäische ITK-Branche insgesamt wieder wettbewerbsfähiger zu machen. Von einem Verzicht auf Regulierung ist dort nicht die Rede." Ende des Updates.

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