Themenspezial: Verbraucher & Service Irreführende Werbung

Verbraucherschützer: 0-Euro-Angebot von Primacom viel zu teuer

Die Verbraucherzentrale Sachsen hat den Kabelnetzbetreiber Primacom wegen irreführender Werbung verklagt. Primacom wirbt mit einem Gratisangebot, das nach Auskunft der Verbraucher­schützer tatsächlich mit erheblichen Kosten verbunden ist.
Von Marie-Anne Winter

Primacom: Verbraucherzentrale klagt wegen irreführender Werbung. Primacom: Verbraucherzentrale klagt wegen irreführender Werbung.
Screenshot von primacom.de
Dass mit unglaublichen Gratis-Angeboten geworben wird, die am Ende dann doch erhebliche Kosten verursachen, kommt immer wieder vor - und der geübte Verbraucher wird natürlich misstrauisch, wenn mit einem Preis von sagenhaften 0 Euro für ein Produkt geworben wird, von dem im Grunde jeder weiß, dass es das nicht kostenlos geben kann. Bleibt die Frage, ob ein Anbieter überhaupt mit einem Gratis-Angebot werben darf, wenn am Ende doch Kosten dafür anfallen. Die Verbraucherzentrale Sachsen [Link entfernt] findet, dass auch kostenlos sein muss, wo "kostenlos" draufsteht: Deshalb hat sie nun den Kabelnetzbetreiber Primacom verklagt, der in den vergangenen Monaten mit einem Gratis-Angebot für Neukunden geworben hatte. Die Firma Primacom mit Sitz in Leipzig lockte Interessierte mit der Aussage "6 Monaten GRATIS für Neukunden".

Primacom: Verbraucherzentrale klagt wegen irreführender Werbung. Primacom: Verbraucherzentrale klagt wegen irreführender Werbung.
Screenshot von primacom.de
So richtig kostenlos war das Angebot dann allerdings nicht. Kunden, die den beworbenen Zweijahresvertrag abschlossen, staunten beim Lesen ihrer Rechnung nicht schlecht: Tatsächlich berechnete Primacom in den ersten zwei Monaten keine regelmäßigen Grundkosten für den Internet-Anschluss. Dafür wurde aber eine einmalige Versandkostenpauschale von 12 Euro sowie ein einmaliger Einrichtungspreis von 29,90 Euro in Rechnung gestellt, falls man den Vertrag nicht über das Internet abgeschlossen hatte. Aber auch die Online-Variante hatte ihre Tücken: "Bei einer Bestellung im Internet bekamen Verbraucherinnen und Verbraucher kostenpflichtige Nebenleistungen wie das Programmpaket 'Familie HD' und eine 'Sicherheitspaket' genannte Software untergeschoben", erklärt Michael Hummel von der Verbraucherzentrale Sachsen. "Diese Nebenleistungen waren zwar in den ersten zwei Monaten kostenlos, schlugen aber anschließend mit insgesamt 18,99 Euro monatlich zu Buche, falls man sie nicht innerhalb eines Monats kündigte. Das ist aus Sicht der Verbraucherzentrale Sachsen ein Verstoß gegen das seit 13. Juni 2014 geltende neue Verbraucherrecht, welches solche Voreinstellungen verbietet."

Erheblich höhere Grundkosten

In den von Primacom beworbenen Preisen waren diese Zusatzkosten nicht eingerechnet. Außerdem wurden ab dem 6. und 13. Monat für die geschlossenen Verträge jeweils deutliche höhere monatliche Beträge fällig. Das beworbene "2er Paket 100" kostete zum Beispiel erst 19,99 Euro und anschließend 34,99 Euro. Die Kunden müssen also statt der beworbenen "0 Euro" ab dem 13. Monat 53,98 Euro für ihren Internet-Anschluss zahlen - das ist ein erheblicher Unterschied. Groß hervorgehoben wurde in der Werbung nur der günstigste monatliche Preis, die anderen wurden lediglich kleingedruckt erwähnt.

Die Verbraucherzentrale Sachsen hat deshalb nach erfolgloser Abmahnung beim Landgericht Leipzig Klage wegen verbraucherschutzwidriger Praktiken und irreführender Werbung erhoben. Sollte die Primacom im Verfahren unterliegen, so dürfte sie von ihren Kunden keine Gebühren für die Nebenleistungen "Familie HD" und das Sicherheitspaket fordern, wenn diese ihren Vertrag nach dem 13. Juni dieses Jahres im Internet abgeschlossen haben.

Die Verbraucherschützer beanstanden immer wieder irreführende Werbesprüche. So wurde bezeichnete das Landgericht Düsseldorf die Werbung für das mobile Sky-Paket von Vodafone als irreführend, und auch die Werbung für hohe Surfgeschwindigkeiten wurde beanstandet, weil Verbrauchern für bestimmte Anwendungen nur einen Bruchteil der beworbenen Geschwindigkeit zur Verfügung hatten. Auch die Werbung für LTE-Tarife als Festnetzersatz geriet bereits ins Visier der Verbraucherschützer, weil die Geschwindigkeit des mobilen Internetzugangs bereits nach relativ geringen Volumenverbrauch gedrosselt wird, was den angeblichen Festnetzersatz für die meisten Internet-Nutzer unattraktiv macht.

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