BGH bestätigt Anspruch auf Schadensersatz bei Internet-Ausfall
BGH: Schadensersatz bei Internet-Ausfall
Bild: teltarif.de
Internet-Nutzer haben nach einem Grundsatzurteil
des Bundesgerichtshofs (BGH) Anspruch auf Schadensersatz, wenn der Anschluss
ausfällt. Der Zugang zum Internet sei auch im privaten Bereich von
zentraler Bedeutung für die Lebensführung, entschied der BGH in dem
heute verkündeten Urteil. Deshalb bestehe auch ohne Nachweis
eines konkreten Schadens ein Ersatzanspruch, wenn die
Nutzungsmöglichkeit entfällt. Das gleiche gelte für den
Telefonanschluss (Az.: III ZR 98/12).
BGH: Schadensersatz bei Internet-Ausfall
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Dem Urteil liegt eine Klage eines Privatmanns zugrunde, der infolge eines
Fehlers bei der Tarifumstellung seinen DSL-Anschluss bei Freenet, dessen
DSL-Geschäft 2009 von der United-Internet-Tochter 1&1
übernommen worden ist, in der Zeit vom
15. Dezember 2008 bis zum 16. Februar 2009 nicht nutzen konnte.
Neben dem Internet wollte der Kunde laut eigenen Aussagen auch seinen
Telefon- und Telefaxverkehr (Voice und Fax over IP, VoIP) abwickeln.
Aufgrund des mehrwöchigen Ausfalls des DSL-Anschlusses verklagte der
Betroffene den Provider auf Schadensersatz in Höhe von 50 Euro
täglich und forderte zudem die Begleichung der durch den Ausfall
resultierenden Mehrkosten, die infolge des Wechsels zu einem anderen
Provider und für die Handy-Nutzung angefallen sind.
In den Vorinstanzen sind dem Kläger bereits insgesamt 457,50 Euro zugesprochen worden, die zur Begleichung der Kosten für den Wechsel zu einem anderen Anbieter sowie für die Kosten der Mobilfunknutzung dienten. Der Kläger ging in Revision, die vom Berufungsgericht zugelassenen wurde, und verfolgte zusätzlich seinen Schadensersatzanspruch weiter.
Nutzbarkeit des Internets ist ein Wirtschaftsgut
Der zuständige III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelte die Sachlage unter Berücksichtigung der Rechtssprechung, nach der der Ersatz für den Ausfall der Nutzungsmöglichkeit eines Wirtschaftsguts grundsätzlich Fällen vorbehalten bleiben muss, in denen sich die Funktionsstörung typischerweise als solche auf die materielle Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirkt.
Ein Schadensersatzanspruch wegen des Ausfalls des Telefaxes wurde in Anwendung dieses Maßstabs verneint, da das Faxen lediglich die Möglichkeit gebe, Texte oder Abbildungen bequemer und schneller als auf dem herkömmlichen Postweg zu versenden, den privaten Bereich im vorliegendem Fall aber nicht signifikant beeinträchtigt habe. Auch für den Ausfall des Telefons sprach der BGH dem Kläger kein Recht auf Schadensersatz zu, da diesem mit dem Handy ein gleichwertiger Ersatz zur Verfügung gestanden hat, dessen Mehrkosten bereits in den Vorinstanzen ersetzt worden sind.
Gegeben sei der Schadensersatzanspruch allerdings für den Ausfall des Internets. Die Nutzbarkeit des Internets sei ein Wirtschaftsgut, dessen ständige Verfügbarkeit seit längerer Zeit auch im privaten Bereich für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise von zentraler Bedeutung sei und dessen Ausfall sich signifikant im Alltag bemerkbar mache, so der BGH.
Die Höhe des Schadensersatzes richte sich nach den marktüblichen, durchschnittlichen Kosten, die in dem betreffenden Zeitraum für die Bereitstellung des im Vertrag erfassten DSL-Anschlusses ohne Telefon- und Faxnutzung angefallen wären. Zur näheren Klärung hierzu hat der Senat die Sache nach eigenen Aussagen an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Nicht jede Störung gleich ein Klagegrund
Michael Frenzel, Leiter der 1&1-Unternehmenskommunikation, sieht das Urteil des BGH positiv. Die Einschätzung, dass das Internet eine zentrale Bedeutung für die Lebensführung habe, sei zu begrüßen, so Frenzel gegenüber teltarif.de. Auch Thomas Bradler von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hält das Urteil für einen richtigen Schritt. Auf dem Weg zum Schadensersatz würden allerdings einige Fallstricke lauern, so Bradler. Eine Voraussetzung dafür wäre zum Beispiel immer, dass Vorsatz oder Fahrlässigkeit vorliegt. Das bedeutet: Der Provider muss eindeutig schuld am Leitungsausfall sein. "Die Durchsetzung der Ansprüche wird entscheidend davon abhängen, ob man dem Anbieter ein Verschulden nachweisen kann", erklärt der Jurist.
Außerdem sei auch künftig nicht jede kleine Störung ein Klagegrund: "Die Anbieter schränken in Ihren Geschäftsbedingungen üblicherweise ein, dass Telefon und Internet etwa 97 Prozent der Zeit zur Verfügung stehen." So halten sich die Firmen zum Beispiel Freiräume offen für Reparaturen oder Wartungsarbeiten an der Leitung. Diese Regelung ist nach Ansicht des Verbraucherschützers auch weiterhin gültig: "So lange dieser Grenzwert eingehalten wird, dürfte keine Pflichtverletzung vorliegen."
Fällt das Internet länger aus, steht Verbrauchern nach der BGH-Entscheidung das Geld zu, dass man in diesem Zeitraum üblicherweise für einen Internetzugang bezahlen muss. In der Regel geht es also um vergleichsweise kleine Beträge. Etwas anders ist der Fall nach dem Urteil des BGH beim Telefonanschluss, sagt Bradler: "Das Festnetztelefon kann man bei einem Ausfall gleichwertig mit dem Handy ersetzen und sich die Mehrkosten erstatten lassen." Bisher seien die Verbraucher in solchen Fällen meist auf den Kosten sitzen geblieben.