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Editorial: Zu viele Milliarden!

Die Leiden der EU mit Galileo
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Galileo wird teurer als erwartet. Galileo wird teurer als erwartet.
Bild: dpa
Satellitennavigation ist eine tolle Sache: Schon mit vergleichsweise günstigen Chips kann man die Position im Raum und die Geschwindigkeit ermitteln. Die darauf basierenden Navigationssysteme sind praktische Helferlein beim Autofahren oder auch bei der Orientierung als Fußgänger.

Galileo wird teurer als erwartet. Galileo wird teurer als erwartet.
Bild: dpa
Das meist verwendete GPS hat aber auch ein paar Nachteile: Die Genauigkeit reicht bei dicht beieinanderliegenden, aber unterschiedlichen Straßen, wie sie insbesondere rund um Autobahnknoten vorkommen, oft noch nicht aus. Wähnt einen das Navi dann auf der falschen Straße, gibt es folglich auch falsche Anweisungen. In engen Häuserzeilen wird hingegen das Signal von zu niedrig über dem Horizont stehenden Satelliten geschluckt; die GPS-Empfänger verlieren dann ganz die Orientierung. Schließlich behält sich der GPS-Betreiber, das US-Militär, weiterhin grundsätzlich vor, die zivile Nutzbarkeit von GPS einzuschränken oder ganz zu widerrufen.

Alle vorgenannten Gründe sprechen dafür, mit Galileo ein europäisches Konkurrenzsystem aufzubauen. Zu loben ist die geplante Kompatibilität zu GPS, so dass künftige Empfänger die Signale beider Systeme gleichzeitig auswerten können, was zur Erhöhung von Genauigkeit und Verfügbarkeit führen sollte: Wenn von einem schwierigen Standort in einer Häuserschlucht zum Beispiel nur wenige GPS- und wenige Galileo-Satelliten direkt sichtbar sind, reicht das kombinierte Signal dann möglicherweise dennoch zur Bestimmung der Koordinaten.

Ein Trauerspiel ist hingegen die aktuelle Umsetzung von Galileo auf Ebene der EU: Offensichtlich sind die beteiligten Politiker nicht fähig oder nicht willens, vernünftige Verträge mit der Industrie zu machen, so dass das Satellitennetz für einen angemessenen Preis in der vorgesehenen Zeit hergestellt, gestartet und betrieben wird.

Und so kennt man Galileo nur durch Negativschlagzeilen aus der Presse: Immer wieder gibt es Finanzierungsprobleme, die dann durch einen kräftigen Milliarden-Nachschlag der EU "gelöst" werden. Wie selbstverständlich ist man zig Jahre hinter dem Zeitplan.

Es grenzt schon an ein Wunder, dass wenigstens der Start der beiden Testsatelliten überhaupt geklappt hat, mit denen es dank GPS-Kompatibilität auch überhaupt so etwas wie einen Testbetrieb geben kann, denn für echte Navigation würden die beiden Satelliten auf keinen Fall reichen: Wenn ein GPS-Empfänger nicht mindestens vier Satelliten empfängt, zeigt er nämlich gar nichts an.

Aber die Gefahr, durch die Nichtnutzung der zugewiesenen Frequenzen die Frequenzen und damit auch das Projekt insgesamt zu verlieren, war für die beteiligten Unternehmen wohl zu groß, und so bastelte man schnell die Testsatelliten zusammen und schoss sie mit russischer Hilfe in den Orbit. Ansonsten übt man sich in der Industrie aber wohl in allerbestem EU-Proporz-Zwist: Welcher Partner wann wo wie viel Einfluss hat, wird jahrelang verhandelt, statt an den Satelliten selber zu bauen. Ist ja auch nicht so schlimm, wenn Galileo nicht ganz so schnell startet: GPS funktioniert ja, und wenn die Amerikaner demnächst ihr GPS III im All stationieren, dann verkauft man der EU-Kommission halt gleich noch ein Galileo-Upgrade mit.

Satelliten gibt's nicht umsonst

Klar ist, dass es einen Dienst wie Galileo nicht umsonst gibt. Zweieinhalb Dutzend Satelliten herzustellen und zu starten ist schon ein großes Projekt. Andererseits gibt es keine technologischen Hürden zu überwinden: Satellit samt Steuerungssystem, Stromversorgung per Solarzellen, hochgenaue Atomuhr und Sender zur Verbreitung des Signals sind alles erprobte Technologien, die in Europa von jeweils mehreren Unternehmen bezogen werden können.

Bezüglich der Startkosten hilft, dass jeweils mehrere Navigationssatelliten auf demselben Orbit hintereinander herfliegen, angeordnet wie die Perlen auf einer Perlenkette, wenn auch nicht ganz so zahlreich. Alle Satelliten für ein Orbit können jeweils gemeinsam gestartet werden, wenn die Rakete ausreichend stark ist. Dabei kommt noch zugute, dass die Navigationssatelliten kleiner und leichter als typische Fernsehsatelliten sind und in einen nicht ganz so hohen Orbit geschossen werden.

Für Fernsehsatelliten werden in den Medien inklusive Start meist Kosten von rund 200 Millionen Euro genannt. Spezialmissionen der ESA und NASA kommen auch auf höhere Beträge, etwa 300 Millionen Euro für "Mars Express" oder 220 Millionen Euro für den Zwillingssatelliten "Venus Express". Kommen neue Technologien hinzu, wie die Kryotechnik für das Infrarot-Teleskop Herrschel der ESA, erreichen die Kosten auch schnell die Milliardengrenze.

Die in Serie fertigbaren und im Pulk startbaren Galileo-Satelliten sollten aber pro Stück deutlich günstiger kommen als normale Nachrichtensalliten, und so erscheinen zwei bis drei Milliarden Euro für die gesamte Konstellation aus 30 Satelliten als angemessen. Aktuell sind wir wohl bei 5 Milliarden Euro, weitere Kostensteigerungen wahrscheinlich.

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