Einleuchtend

Ametsreiter: Muss BMW jede Erfindung an Lada weitergeben?

Vodafone Chef Hannes Ametsreiter hat nochmal die Knackpunkte der geplanten 5G-Ausschreibung mit einfachen Beispielen verdeutlicht.
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Dr. Hannes Ametsreiter, CEO von Vodafone Deutschland, in einem selbst fahrenden Auto. Dr. Hannes Ametsreiter, CEO von Vodafone Deutschland, in einem selbst fahrenden Auto.
Foto: Picture Alliance / dpa
Seit Wochen wird Deutschlands digitale Zukunft diskutiert. Grund ist der Entwurf der Bundesnetzagentur zur 5G-Auktion. Wir haben schon mehrfach berichtet.

Für Vodafone Chef Hannes Ametsreiter ist klar, dass mit dem die Weichen für das Netz der nächsten Generation gestellt werden sollen. In seinem Firmenblog erklärt er mit klaren Worten, was seine Branche derzeit bewegt. Wir haben den Beitrag zusammengefasst.

Fest steht für ihn: "Deutschland muss ein Leitmarkt für 5G werden. Dafür muss aber die Einigung jetzt schnell kommen und sie muss für alle finanziell wie technisch machbar sein. Wenn die Politik diese Entscheidung jetzt aufschiebt, wenn sie die Weichen zu spät und falsch stellt, dann fährt der 5G-Zug aufs Abstellgleis."

Worum im Kern gestritten wird

Dr. Hannes Ametsreiter, CEO von Vodafone Deutschland, in einem selbst fahrenden Auto. Dr. Hannes Ametsreiter, CEO von Vodafone Deutschland, in einem selbst fahrenden Auto.
Foto: Picture Alliance / dpa
Im Kern geht die gesamte Diskussion am Ende um vier Streitpunkte: die sogenannte Diensteanbieterverpflichtung, National Roaming, das lokale, wie das regionale Spektrum, genauso wie die Ausbauverpflichtung. "Deutschland", so erklärt es Ametsreiter, "braucht ein erstklassiges 5G-Netz. Wir können es aber nur bauen, wenn wir die Möglichkeit haben, die milliardenschweren 5G-Investitionen wieder zurückzuverdienen."

Marktvergleich: Ein paar unbequeme Wahrheiten

Schon heute fließe viel Geld aus dem Ausbaumarkt - weg von den Netzbetreibern hin zu Unternehmen, die deren Netze nur nutzen und nicht bauen. "Sie kassieren, während andere investieren". Denen ginge es blendend, wenn man sich deren Zahlen anschaue: „In den letzten drei Jahren ist der stärkste (Service-Provider) von ihnen fünfzehnmal mehr gewachsen als der stärkste Netzbetreiber. Und hat seinen Gewinn doppelt so stark gesteigert. Zusätzlich bekommt er von jedem ausgegebenen Euro rund fünfmal mehr zurück als jeder Netzbetreiber. Ohne Risiko.“ Schon heute haben diese Firmen Zugang zu LTE "zu kommerziellen Bedingungen". Und sogar das Recht, ein Mobilfunknetz zu 30 Prozent selbst zu nutzen. Ametsreiter meint das "virtuelle Netz" von 1&1-Drillisch und deren Zugriff auf das reale Netz von o2.

Diensteanbieterverpflichtung: Zwangszugang als Innovationskiller

Ametsreiter: "Mit der Diensteanbieterverpflichtung oder sogar einer Ausweitung auf eine so genannte MVNO-Verpflichtung wollen sich Firmen, die nicht ausbauen, weiter günstigen Zwangszugang zu einem 5G-Netz sichern. Übertragen Sie derlei nur mal auf den Automarkt: Dann wäre BMW ab morgen staatlich gezwungen, jede neue Motor-Technologie umgehend Lada zur Verfügung zu stellen. Wie viel würde BMW dann noch in Forschung und Entwicklung stecken?"

Ametsreiter lobt die Bundesnetzagentur, die den Zugriff für virtuelle Netze oder Service-Provider in ihrem Entwurf abgelehnt hat, da wären aber noch Lücken. Diese könnten auch die Amazons und Apples dieser Welt auf den Plan rufen, die dann ohne einen Masten zu bauen, den Markt auf den Kopf stellen könnten. Dem Netzausbau helfe das nicht.

National Roaming: Partikular-Interessen vor der Zukunft der deutschen Wirtschaft?

National Roaming würde einem vierten Anbieter den Ausbau eines Mini-Netzes in lukrativen Regionen erlauben, aber der vierte Anbieter würde keinen einzigen weißen Flecken ausbauen. Ametsreiter wörtlich: "Da helfen nur Funkmasten. Wo kein Betreiber einen Mast hat, gibt’s auch kein Netz, das man zusammenschließen kann. Die Millionen, die wir dafür in IT stecken müssten, stecken wir lieber in den Netzausbau." Eine Kooperation von Netzbetreibern kann er sich vorstellen: "Eine andere Frage ist es, Masten gemeinsam zu nutzen, ohne die Netze zusammen zu schalten. Dem verschließen wir uns selbstverständlich nicht."

Vorbild Bayern

Bayern habe hier einen guten Weg beschritten, um völlig unrentable Gebiete auszubauen. Sie fördern den Ausbau von Mobilfunkmasten in weißen Flecken, die Netzbetreiber tragen die verbleibenden 20 Prozent des Gesamtinvests. Wo Gemeinden noch Funklöcher haben, können sie so gefördert Standorte zur Verfügung stellen, die die Netzbetreiber dann nutzen können. "Das bringt Empfang ins Funkloch und zugleich Mieteinnahmen in die Gemeindekassen. Dieser Ansatz erscheint mir vernünftig."

Lokales und regionales Spektrum: Antennenwälder und weniger Luft zum Atmen

Ametreiter greift zu philosophischen Vergleichen: "Funkfrequenzen sind für Netzbetreiber wie Luft zum Atmen. Je mehr, desto besser." Aber es werde in der nächsten Mobilfunkgeneration eher weniger: Ein Viertel des 5G Spektrums sollen lokale Firmenstandorte und Regionen zugeteilt bekommen. Für eigene Netze.

Damit bekomme Deutschland ein langsameres, bundesweites 5G als andere Länder. Lokales Spektrum für Firmen könne er noch nachvollziehen. Wenn aber ganze Regionen künftig ihre eigenen 5G Mini-Netze bauen sollten, würden sie vor allem Antennenwälder bauen und eine 5G-Kleinstaaterei, einen Flickenteppich, eröffnen.

Regionales Spektrum: Auktions-Monopoly am Tisch mit Finanzinvestoren?

Des Pudels Kern: Regionales Spektrum soll – anders als bundesweiten Lizenzen – sehr günstig und ohne große Verpflichtungen außerhalb der Auktion zu kaufen sein. Wer richtig Geld verdienen wolle, mache hier mit. Der sammele Deutschlands lukrativste Städte, ohne nur einen Euro ins Hinterland zu investieren. Ametsreiter nennt das Auktions-Monopoly. "Das ist so, als ob Ihr Gegenspieler sich Parkstraße und Schlossallee zum Preis der Badstraße kaufen könnte." Und stellt dann fest: "Gegen so einen können Sie vor allem nie gewinnen. Warum sollten Sie dann investieren?"

Bei derlei rufen wir nicht nur Finanzinvestoren ("private equity") auf den Plan, sondern Anbieter wie 1&1, Freenet & Co, die sich dann die reichsten Städte griffen, während die bundesweit tätigen Netzbetreiber die teure Ausbauarbeit auf dem Land übernehmen müssten.

Ametsreiter fehle die explizite Klarstellung der Bundesnetzagentur, dass regionale Frequenzen auch nur für regionale Geschäftsmodelle genutzt werden dürften und ein Sammeln von Regionen ausgeschlossen sei. Heißt: "Es darf hier kein Rosinenpicken von bisherigen virtuellen Anbieter geben, die so durch die Hintertür das für sie Beste aus beiden Welten verbinden wollen."

Ausbauverpflichtung: Eine irrationale Diskussion

Vodafone gibts sich beim Thema Ausbau selbstkritisch: "4G ist in Deutschland noch nicht gut genug. Aber wir arbeiten hart daran, schließen die weißen Flecken und verbessern den Empfang, in Stadt und vor allem Land. Zugleich schaffen wir mit jedem neuen 4G-Mast auch eine größere Basis für 5G."

Beim gesamten Thema Ausbau erlebe man eine irrationale Diskussion. Schon der Vorschlag der Bundesnetzagentur gehe zu weit und viele Vorstellungen der Politik ins "Unermessliche": Die geforderte Ausbau-Umsetzung der Bundesnetzagentur in der Fläche könne bis 2022 mangels Kapazität der Baufirmen gar nicht gebaut werden, 2025 wäre realistischer. Derzeit kämen die falschen Frequenzen unter den Hammer. Diese sind auf Kapazität (viele Nutzer auf kleiner Fläche) ausgelegt, nicht auf Flächenversorgung. Ein Netz mit diesen Frequenzen in die Fläche zu treiben, wie es sich die Politik vorstellt, würde Deutschland einen Mastenwald aus hunderttausenden von Antennen bringen.

Vodafone müsste für einen Netzausbau auf diesen Frequenzen rund 19 Milliarden Euro ausgeben, was finanziell gar nicht darstellbar sei.

Wir werden Land und Fläche nicht vernachlässigen

Vodafone verspricht, Land und Fläche nicht zu vernachlässigen. Sukzessive sollen weitere 5G-Frequenzen verwendet werden, die bessere Ausbreitungsbedingungen haben. Diese Frequenzen hat Vodafone bereits und will sie nutzen, sobald sie bundesweit einsetzbar sind. Gut sei, dass die BNetzA klar sagt, dass es rechtliche Grenzen für Ausbauverpflichtungen gibt.

Niemandem sei damit gedient, wenn Gerichte später die Entscheidung der BNetzA kippen. Hierdurch würde die Einführung von 5G tatsächlich weit zurückgeworfen.

Fazit: Der Leitmarkt 5G braucht ein solides Fundament

Im Papier der Bundesnetzagentur gehe manches bereits in die richtige Richtung, einiges sei noch reparaturbedürftig, sonst werde es brandgefährlich. "Wir wollen, dass Deutschland das bestmögliche 5G-Netz bekommt. Dafür wollen wir Netze bauen, ihre Lücken schließen und sie noch schneller machen. Dazu wollen wir uns gerne auch verpflichten." Ametsreiter ist zuversichtlich, dass "wir mit Politik und Bundesnetzagentur einen fairen Ansatz finden werden."

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