Themenspezial: Verbraucher & Service Streaming-Abmahnungen

Bundesregierung: Video-Streaming ist legal (aktualisiert)

Das Bundesjustizministerium hat auf eine Anfrage von Parlamentariern geantwortet. Darin schreiben die Beamten, die Regierung halte das Betrachten von Videostreams für legal. Es werden gleich zwei Gründe zugunsten der Nutzer aufgeführt.
Von Hans-Georg Kluge /

Das Bundesjustizministerium stellt klar: Am Ende entscheiden die Gerichte. Im Bild: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger bei Amtsübergabe an Heiko Maas. Das Bundesjustizministerium stellt klar: Am Ende entscheiden die Gerichte. Im Bild: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger bei Amtsübergabe an Heiko Maas.
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"Wer streamt, verletzt keine Urheberrechte", so lautet eine Meinung, die in den letzten Wochen oft zu hören war. Die Verfechter argumentieren dabei, bei einem Videostream vervielfältige der Nutzer den Inhalt nicht. Manche Juristen halten dagegen, im Arbeits­speicher des Rechners werde das Video kopiert, so dass hier das Urheberrecht greife.

Bundesjustizministerium: Betrachten eines Streams in der Regel legal

Das Bundesjustizministerium stellt klar: Am Ende entscheiden die Gerichte. Im Bild: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger bei Amtsübergabe an Heiko Maas. Das Bundesjustizministerium stellt klar: Am Ende entscheiden die Gerichte. Im Bild: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger bei Amtsübergabe an Heiko Maas.
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Das Bundesjustizministerium ist für das Urheberrecht zuständig. Abgeordnete der Fraktion der Linken haben eine Anfrage an das Ministerium gestellt. Die Antwort hat sie im Netz veröffentlicht.

In der Antwort an die Parlamentarier schreibt das Ministerium, die Regierung halte "das reine Betrachten eines Videostreams nicht für eine Urheberrechtsverletzung". Dafür werden gleich zwei Gründe angeführt: § 44a UrhG erlaubt die "vorübergehenden Vervielfältigungshandlungen", wie sie beim Streaming passieren. Und § 53 Absatz 1 UrhG erlaubt die Privatkopie, wenn "keine offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder [offensichtlich unerlaubt] öffentlich zugänglich gemachte Vorlage verwendet" wird. Ausdrücklich darf der Nutzer "nicht mit unerfüllbaren Prüfpflichten belastet" werden! Im Zweifelsfall muss der Rechtsinhaber beweisen, dass die "vervielfältigte Vorlage offensichtlich rechtswidrig hergestellt oder unerlaubt öffentlich zugänglich gemacht worden ist".

Wenn sich, wie auf Redtube der Fall, einige (möglicherweise) unrechtmäßige Streams zwischen abertausenden rechtmäßigen verstecken, und die Streams zudem alle ungefähr denselben Inhalt haben (wie bei Pornos nunmal der Fall), dann ist es aber definitiv nicht offensichtlich, welche Streams legal sind und welche nicht. Der User darf dann im guten Glauben Privatkopien anfertigen; der Rechteinhaber kann den Beweis der offensichtlichen Rechtswidrigkeit nicht führen.

Einschränkend erklärt das Justizministerium jedoch, dass die Frage, ob beim Streaming auch § 44a UrhG greift, noch nicht richterlich geklärt sei. Letztlich müsse aber der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheiden. Zu einem ähnlichen Ergebnis war auch Rechtsanwalt Bernhard Knies gekommen, der in einer rechtlichen Analyse auf diese Frage eingegangen war.

Das bedeutet die Antwort für Verbraucher

Von Bedeutung ist die Streaming-Frage dann, wenn von offensichtlich illegalen Sites gestreamt wird oder offensichtlich unerlaubt kopierte Inhalte gestreamt werden, zum Beispiel abgefilmte aktuelle Kinofilme. Hier greift der Privatkopie-Schutz nicht, und ob dann der schwächere § 44a UrhG als Streaming-Schutz hält, ist eben noch nicht höchstrichterlich geklärt.

Viele Juristen und Anwälte teilen jedoch die rechtliche Auffassung des Ministeriums, das "das reine Betrachten eines Videostreams nicht für eine Urheberrechtsverletzung" hält. Eine echte Überraschung ist die Antwort daher nicht, aber eine Bestätigung der bisher von den Anwälten der Abmahnopfer geäußerten Rechtsmeinungen. Alles in allem bedeutet das für Redtube-Abmahnopfer: Auf keinen Fall zahlen und auf keinen Fall die Unterlassungserklärung abgeben. Wer eines von beiden bereits gemacht hat, kann sich überlegen, ob er, ggfls. mit anwaltlicher Hilfe, sogar die Unterlassungserklärung widerruft und seine Zahlung zurückfordert.

Unklar bleibt für Verbraucher weiterhin, wie die Abmahnungen überhaupt möglich waren, denn dazu mussten die Rechteinhaber an die IP-Adressen der Streaming-User kommen. Diese hat Redtube jedoch nicht herausgegeben. Somit stellt sich die Frage, ob sich so eine Abmahnwelle wiederholen könnte - zwar wahrscheinlich nicht so schnell bezüglich großer Porno-Portale, aber möglicherweise bezüglich diverser zwielichtiger Streaming-Portale für aktuelle Kinofilme. Im Auskunftsverfahren gab Rechtsanwalt Daniel Sebastian zwar Informationen zur IP-Sammlung als Eidesstattliche Versicherung an - die darin enthaltenen Ausführungen wurden aber schon bei den ursprünglichen Auskunftsanträgen von einigen Kammern des Landgerichts Köln als nicht beweiskräftig genug angesehen. Inzwischen dürften sich die weiteren Kammern des LG Köln dieser Auffassung angeschlossen haben, dass die IP-Frage ungeklärt ist.

Sollte die IP-Adressermittlung auf legalem Weg passiert sein - teltarif.de bezweifelt das - dann besteht hier ein gewisses Restrisiko für künftige Abmahnungen. Klar müssten dann die Auskunftsersuchen das Verfahren genauer beschreiben. Aber erst, nachdem es so öffentlich geworden ist, könnten die User oder Streaming-Site-Betreiber Schutzmaßnahmen dagegen ergreifen.

Schließlich enthält die Auskunft des Justizministeriums keine Hinweise zum Fortgang der aktuellen strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Lesen Sie in unserem Überblick, wie Redtube-Abmahnanwalt Thomas Urmann vom Jäger zum Gejagten wurde!

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