Politik

Kompromisse im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP

FDP billigt Vereinbarungen, Unionsparteien stimmen morgen ab
Von Björn Brodersen mit Material von dpa

Die Unions-Parteien CDU und CSU sowie die FDP haben sich in ihrer Regierungsvereinbarung auf zahlreiche Kompromisse geeinigt. Die umstrittene Sperrung von kinderpornografischen Seiten wird zunächst für ein Jahr ausgesetzt. Stattdessen soll die Polizei versuchen, die Webseiten mit kinderpornografischen Inhalten zu löschen. Nach einem Jahr soll darüber neu entschieden werden. Auch der Zugriff auf Daten aus Telefon- und Internetverbindungen wird zunächst für ein Jahr ausgesetzt, die sogenannte Vorratsdatenspeicherung durch die Telefon- und Internetanbieter aber weiter fortgeführt. Auf Telefon- und Internetverbindungsdaten dürfen die Sicherheitsbehörden zunächst nur bei schweren Straftaten - wenn es um "konkrete Gefahr für Leib, Leben und Freiheit" geht - zugreifen. Hierzu steht noch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe aus.

Online-Durchsuchungen von Computern dürfen nur vom Bundeskriminalamt durchgeführt werden, dafür ist jetzt eine vorhergehende Genehmigung durch den Bundesgerichtshofs statt durch ein Amtsgericht nötig. Auch hier könnte das Bundesverfassungsgericht nach der laufenden Überprüfung noch für strengere Regeln für die Anwendung solcher Online-Durchsuchungen sorgen.

Neues Gesetz zur Regelung des digitalen Urheberrechts

Allerdings wollen die Politiker beim Datenschutz auch die Bürger mehr in die Pflicht nehmen: "Die Sensibilität für den Schutz der eigenen Daten muss gestärkt, der Selbstdatenschutz erleichtert werden, um Datenmissbrauch vorzubeugen. Wir werden deshalb prüfen, wie durch die Anpassung des Datenschutzrechts der Schutz personenbezogener Daten im Internet verbessert werden kann, erwarten dabei aber auch von jedem Einzelnen einen verantwortungsvollen Umgang mit seinen persönlichen Daten im Internet", heißt es in der Regierungsvereinbarung. Betrug und Identitätsdiebstahl im Internet müssten konsequent verfolgt werden und zugleich müssten Möglichkeiten der sicheren Kommunikation mehr in den Mittelpunkt gerückt werden. Hierfür soll auch eine neu geschaffene Stiftung Datenschutz sorgen, deren Aufgabe es sein wird, Produkte und Dienstleistungen auf Datenschutzfreundlichkeit zu prüfen, Bildung im Bereich des Datenschutzes zu stärken, den Selbstdatenschutz durch Aufklärung zu verbessern und ein Datenschutzaudit zu entwickeln.

CDU, CSU und FDP wollen zudem nach eigener Aussage zügig die Arbeit an einem Dritten Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft aufnehmen. Dabei wollen die Regierungsparteien keine Initiativen für gesetzliche Internetsperren bei Urheberrechtsverletzungen starten. Verlage sollen im Online-Bereich nicht schlechter gestellt sein als andere Werkvermittler - das soll ein neues Leistungsschutzrecht für Presseverlage gewährleisten. "Wir wollen Maßnahmen unterstützen, die das gesellschaftliche Verständnis für die Bedeutung des Urheberrechts und den Respekt vor fremdem geistigem Eigentum fördern", heißt es.

Weitere Willensbekundungen gibt es zu den Themen Zugang zu neuen Medien, Barrierefreiheit und Medienkompetenz, De-Mail-Gesetz, Netzneutralität sowie Breitband-Ausbau in Deutschland. Es sollen unter anderem die Anstrengungen fortgesetzt werden, die Breitbandversorgung in Deutschland sowohl in der Fläche als auch in der Leistungsfähigkeit zu steigern. Die Nutzung freiwerdender Frequenzen des Fernsehrundfunks soll dazu beitragen, kurzfristig Versorgungslücken in der Fläche zu schließen. Die entsprechenden Frequenzen sollen den Erklärungen zufolge zügig versteigert werden, damit "in ländlichen Gebieten rasch und kostengünstig eine Breitbandversorgung" gewährleistet werden könne. Auch die unterschiedliche Handhabung der Kostenverteilung bei Warteschleifen im Telefonverkehr sowie die Rahmenbedingungen für Vertragsabschlüsse im Internet würden in den kommenden vier Jahren evaluiert.

Opposition und Datenschützer zeigen sich enttäuscht von Ergebnissen

In ersten Reaktionen haben sich der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar und der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung enttäuscht davon gezeigt, dass es bei der vom Bundesverfassungsgericht geprüften Vorratsdatenspeicherung keine nennenswerte Änderung gegenüber der zuvor schon geltenden Auffassung gebe. Schaar fordert die Koalitionsparteien auch auf, eine Verbesserung des Schutzes der Privatsphäre von Arbeitnehmern im Rahmen des Bundesdatenschutzgesetzes anzugehen und ein eigenes Beschäftigten-Datenschutzgesetz zu schaffen. "Vorratsdatenspeicherung und Internetsperren werden ausgesetzt, Online-Durchsuchungen erschwert", sagte dagegen die bayerische FDP-Chefin und künftige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger die Vereinbarungen. Der schwarz-gelbe Koalitionsvertrag trage daher "eine klare bürgerrechtsliberale Handschrift".

Nach der Bundestagswahl am 27. September dieses Jahres reicht es für Union und FDP zur Mehrheit im neuen Bundestag, die erste Runde der Koalitionsverhandlungen begann am 5. Oktober. Am 15. Oktober verständigte sich die Arbeitsgruppe Inneres auf Kompromisse in den Fragen von Online-Durchsuchungen, Vorratsdatenspeicherung und Internetsperren. Heute hat ein FDP-Parteitag den Koalitionsvertrag mit nur fünf Enthaltungen gebilligt, morgen folgen kleine Parteitage von CDU und CSU. Interessenten können die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag im Internet [Link entfernt] nachlesen.

Weitere Artikel zur Bundestagswahl 2009