Bundesregierung will Recht auf schnelles Internet festlegen (Update)
Ein gesetzlich verankertes "Recht auf schnelles Internet" nimmt heute aller Voraussicht nach seine nächste Hürde. Der Wirtschaftsausschuss im Deutschen Bundestag will über eine Novelle des Telekommunikationsgesetzes abstimmen.
Die Koalitionsfraktionen aus Union und SPD haben sich vor der Sitzung auf einen Kompromiss geeinigt, der Menschen auch in abgelegenen Gegenden einen Internetzugang ermöglichen soll, der schneller ist als bisher.
Untergrenze muss berechnet werden
Ein neues Gesetz soll für besseres Internet auf dem Land sorgen (Bild: Glasfaserkabel)
Bild: picture alliance/dpa | Sina Schuldt
Der geltenden Rechtslage zufolge ist nur ein "funktionaler" Zugang
zum Festnetz-Internet Pflicht - also ein 56-Kilobit-Schneckentempo
(0,056 MBit/s). In dem Kompromisspapier von CDU/CSU und
SPD ist nun von einem Richtwert von 30 Megabit pro Sekunde die Rede -
so viel wäre nötig, um Anforderungen für das Homeoffice zu erfüllen.
Allerdings soll die tatsächliche und rechtlich verbindliche
Untergrenze erst noch berechnet werden, dies vermutlich durch die
Bundesnetzagentur - sie soll nach Vorstellung der Koalitionäre auch
Vorgaben zur Verzögerung bei der Datenübertragung (Latenz) und zur
Uploadrate machen.
Die Behörde würde die Internetnutzer gewissermaßen in zwei Teile einordnen: die 20 Prozent mit den besten Internetverbindungen und die übrigen 80 Prozent, die langsameres Netz haben. Von diesen 80 Prozent wiederum würde deren vertraglich zugesichertes Mindest-Downloadtempo genommen und hierzu ein Mittelwert ermittelt.
Branchenschätzungen zufolge dürfte bei so einer Rechnung nur ein niedriger zweistelliger Megabit-Wert herauskommen - weniger als 20 MBit/s. Damit ist klar, dass eine solche Mindestvorgabe vor allem auf dem Land helfen könnte - die Menschen dort könnten eine schnellere Internetverbindung einfordern, die gebaut werden müsste - die Kosten hierfür sollen aus einem Finanztopf kommen, der von den Telekommunikationsunternehmen gefüllt werden müsste.
In Städten wird die neue Mindestvorgabe in der Regel keine große Rolle spielen, weil dort ohnehin schon bessere Verbindungen möglich sind. Ausnahmen wird es aber auch hier geben, etwa am Stadtrand.
Sicherstellung einer Grundversorgung
Vertreter der Regierungskoalition waren zufrieden mit dem Kompromisspapier. "Durch den Rechtsanspruch auf schnelles Internet wird eine Grundversorgung sichergestellt", sagt der Vize-Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Ulrich Lange.
Der Anschluss müsse stabile Verbindungen für Homeoffice und Homeschooling ermöglichen. Er betont zudem, dass die Festlegung der Leistungsparameter nur "im Einvernehmen" mit dem Ausschuss für digitale Infrastruktur des Bundestags erfolgen dürfe - die Volksvertreter sollen also auch künftig ein Wort mitreden können bei dem Thema.
Von der Opposition kam Kritik
Aus Sicht der netzpolitischen Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Anke Domscheit-Berg, greift das Gesetzesvorhaben zum Recht auf schnelles Internet viel zu kurz. "So eine Untergrenze im niedrigen zweistelligen Megabitbereich ist völlig unambitioniert und unzeitgemäß", sagt die Politikerin.
"Wir sollten im Downstream nicht weniger als 100 Megabit pro Sekunde als Mindestlevel überall in Deutschland festlegen und 50 MBit im Upstream, die Werte sollten in den nächsten Jahren steigen." Schnelles Internet sei überall in Deutschland ein absolutes Muss.
Abstimmung über das TK-Gesetz
Nach dem heutigen Votum im Wirtschaftsausschuss soll der Bundestag schon morgen über das Telekommunikationsgesetz abstimmen. In dem umfangreichen Gesetz geht es auch um eine Neuregelung zu TV-Kosten, die ab Mitte 2024 nur noch in abgespeckter Version über die Nebenkosten abgerechnet werden dürfen - nur wenn der Vermieter neue Glasfaserleitungen hat verlegen lassen, kann er den Mietern ein "Bereitstellungsentgelt" von 60 Euro pro Jahr und Wohnung berechnen.
Zusätzlich hierzu sind dann Einzelverträge nötig, die sich nicht auf die Infrastruktur, sondern auf die Übermittlung des Fernsehsignals beziehen. Bisher bekommt ein Großteil der Mieter Fernsehen über TV-Kabelverträge, welche die Vermieter abgeschlossen haben - solche Verträge dürfen laut dem Papier der Koalitionsfraktionen ab Mitte 2024 aber nicht mehr auf die Nebenkosten umgelegt werden.
Update: Wirtschaftsausschuss des Bundestags stimmt zu
Alle Bundesbürger sollen künftig ein Recht auf schnelles Internet bekommen. Der Wirtschaftsausschuss des Bundestags stimmte heute für ein entsprechendes Gesetzesvorhaben. Wie genau die Untergrenze für Download, Upload und die Latenz - also die Reaktionszeit - aussieht, ist noch unklar. Dies soll später berechnet werden und ab Mitte 2022 gelten. Branchenschätzungen zufolge dürfte das Mindestniveau niedrig sein, beim Download zum Beispiel nur knapp im zweistelligen Megabit-Bereich.
Zugute kommen dürften die Mindestwerte in erster Linie Menschen auf dem Land. In Städten dürfte er keine große Rolle spielen - mancherorts könnte er am Stadtrand relevant sein. Jahr für Jahr sollen die Mindestwerte steigen. Das soll verhindern, dass sich die digitale Kluft zwischen Stadt und Land weiter vergrößert. Das Vorhaben, das Teil einer umfangreichen Novelle des Telekommunikationsgesetzes ist, soll am Donnerstag in das Plenum des Bundestags kommen. Eine Zustimmung zu den Vorgaben, auf die sich die große Koalition geeinigt hatte, gilt als sicher. Danach wäre der Bundesrat am Zug.
Sollte das Recht auf schnelles Internet zum Gesetz werden, könnten Bürger ab Juni 2022 zur Bundesnetzagentur gehen und sich über Schneckentempo-Internet in der eigenen Wohnung beschweren. Die Bonner Behörde würde dies prüfen und gegebenfalls einen Anbieter mit der Verlegung von Leitungen beauftragen. Die Kosten hierfür würden aus einem Finanztopf beglichen, der von Telekommunikationsunternehmen gefüllt werden muss.
Auch Anbieter wie Whatsapp, deren Dienste Konkurrenz zur Sprachtelefonie sind, könnten zur Beteiligung an den Kosten herangezogen werden - dies soll die Bundesnetzagentur noch entscheiden. Anbieter wie Netflix hingegen sollen nach derzeitigem Stand außen vor bleiben - entsprechende Forderungen aus der Telekommunikationsbranche könnten aus europarechtlichen Gründen nicht erfüllt werden, hieß es aus Reihen der Koalitionäre.