Editorial: EU: Gemächlich zu mehr Roaming-Wettbewerb
Mit Spannung sind die Eckpunkte der von der EU-Kommissarin Neelie Kroes vorgeschlagenen neuen Roaming-Regulierung erwartet worden. Die wichtigsten Details: Die diskutierte komplette Abschaffung von Roaming-Zuschlägen ist vom Tisch. Doch verfolgt die EU-Kommission ihr Ziel, die Melkkuh Roaming nicht mehr so ergiebig wie früher sprudeln zu lassen, konsequent weiter. Insbesondere die regulierten Preise für Roaming-Vorleistungen sollen in den kommenden drei Jahren deutlich sinken, für Roaming-Telefonate um zwei Drittel des heutigen Wertes, für mobilen Internetzugang gar um vier Fünftel.
EU-Vizepräsidentin Neelie Kroes
Foto: EU-Kommission
Zugleich sinken die regulierten Höchstgrenzen für die Preise
im EU-Roaming-Standardtarif deutlich langsamer, für
Roaming-Telefonate in den nächsten drei Jahren beispielsweise nur
um knapp ein Drittel. Entsprechend steigt die Marge zwischen
Vorleistungs- und Endkundenpreisen in den EU-Roaming-Standardtarifen
auszugehen. Dieses soll nach den Plänen der EU-Kommission die Nutzung
spezialisierter Roaming-Netzbetreiber attraktiv machen, die
voraussichtlich niedrigere Preise anbieten werden. Kunden sollen ab
2014 die Möglichkeit erhalten, schon vor Abfahrt oder spätestens nach dem
Grenzübertritt einen Roaming-Netzbetreiber auszuwählen.
Zu begrüßen ist insbesondere, dass die EU-Kommission damit beim Roaming auf ein ähnliches Instrument setzt, das bei der Einführung des Wettbewerbs im Festnetz sehr erfolgreich war: Die Wahl alternativer Netzbetreiber per Call by Call bzw. Pre-Selection. Zwar ergibt sich aus den aktuellen Verlautbarungen, dass es wohl kein Roaming-Call-by-Call geben wird, bei dem man pro Roaming-Telefonat einen anderen Netzbetreiber wählen kann. Immerhin soll aber der Wechsel der Roaming-Pre-Selection einfach werden, insbesondere wohl mit der Möglichkeit der Abrechnung über den Heimnetzbetreiber.
Roaming-Dienstleistungen sind begehrt
Wenn die Kunden, wie erhofft, von der Möglichkeit des Roaming-Netzbetreiber-Wechsels eifrigen Gebrauch machen, ist damit zu rechnen, dass sich schnell ein eigener Markt für Roaming-Dienstleistungen entwickelt. Insbesondere für den Fall, dass virtuelle Roaming-Netzbetreiber in die Lage versetzt werden, das Netz festzulegen, in das sich die Kunden-Handys in einem Land bevorzugt (oder gar ausschließlich) einbuchen, könnten die Roaming-Netzbetreiber ihre Einkaufsmacht nutzen, um Roaming-Minuten ggfls. sogar unter den von der EU festgesetzten Vorleistungspreisen einzukaufen: Am Ende wickelt dann der Netzbetreiber am meisten Roaming-Minuten ab, der diese am günstigsten liefert. Wenn sich auf diesem Weg schließlich ein stabiler Roaming-Markt entwickelt, könnte man künftig sogar komplett auf Roaming-Preisfestsetzungen verzichten, und zwar bei den Vorleistungen wie bei den Endpreisen.
Auf der zweiten Seiten erfahren Sie, welche Ängste die Netzbetreiber beschäftigen.